PC-based Control für die additive Fertigung von großen Kunststoffteilen
3D-Druckverfahren sind für Kunststoffteile fester Bestandteil der Innovationsprozesse in Entwicklung, Prototypenbau und Kleinserienfertigung. Einzig Präzision, Geschwindigkeit und Objektgröße schienen die limitierenden Faktoren zu sein – bislang. Denn der polnische Maschinenbauer ATMAT hat die Grenzen des Machbaren nun ein großes Stück verschoben, und zwar u. a. durch den Einsatz der Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff.
Bis vor rund zehn Jahren wurde der 3D-Druck hauptsächlich im Rapid-Prototyping eingesetzt. Inzwischen ist das Verfahren immer häufiger Teil der Produktion. Schon früh erkannte der Maschinenbauer ATMAT, Krakau, das große Potenzial von 3D-Druck und spezialisierte sich neben dem klassischen Maschinenbau auf die Herstellung industrieller 3D-Drucker als zweites Standbein. Mit den aktuellen Großserien-Druckern Saturn und Jupiter hebt das Unternehmen die Skalierung des Arbeitsraums auf ein neues Level – ohne an Präzision, Druckgeschwindigkeit und Bedienkomfort einzubüßen. Umgesetzt haben die Entwickler dies auf Basis von PC-based Control, d. h. mit TwinCAT 3, einem Economy-Einbau-Panel-PC CP6700 sowie EtherCAT-I/O-Klemmen und Servoantriebstechnik von Beckhoff.
Interessante Einsatzgebiete für die großformatigen 3D-Drucker gibt es zur Genüge, u. a. in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Ein außergewöhnliches Projekt ist z. B. die Restauration eines französischen Flugzeug-Oldtimers Typ Caudrin CR.714 aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Nicht nur der Rumpf wurde während des Krieges schwer beschädigt, es fehlten auch Propellerblätter, Nabe, Propellerdeckel und Motorgehäuse. Der Wiederaufbau des Flugzeugs mit traditionellen Methoden hätte somit viel Zeit und Geld erfordert. Daher wurde beschlossen, diese Teile mit Unterstützung durch ATMAT per 3D-Druck herzustellen. „Der wichtigste Aspekt des Projekts und gleichzeitig die größte Herausforderung bestand darin, die Form des Rumpfes und seine realen Abmessungen so genau wie möglich zu reproduzieren", erklärt Robert Grolik, Leiter der Abteilung Automation bei ATMAT. „Da es sich um ein Museumsexponat handelt, mussten wir auch eine Möglichkeit vorsehen, die gedruckten Teile so zu befestigen, dass die historischen Elemente bei der Montage nicht zerstört werden.”
Filigrane Bauteile bis 1,2 m³ präzise drucken
Voraussetzung für diese Art der Restauration sind präzise 3D-Drucker mit ausreichend großem Arbeitsraum zur Herstellung der großformatigen Flugzeugteile mit ihren teils komplexen Geometrien. Sämtliche Teile wurden per FFF/FDM (Schmelzablagerungstechnologie) gedruckt. Bei diesem Verfahren wird ein strangförmiges Filament mit einem Extruder bis zum Schmelzen erhitzt, in den Druckkopf eingeführt und präzise auf dem Arbeitstisch aufgebracht – Lage für Lage, bis das Bauteil fertig ist. Der Arbeitstisch fungiert dabei als Z-Achse, die zahnriemengetriebenen Portalachsen als X- und Y-Achsen. Beim Wiederaufbau der Flugzeugteile kam der 3D-Drucker Typ Saturn zum Einsatz, der mit einem Arbeitsraum von 1.200 x 1.000 x 1.000 mm nach Jupiter bereits der zweite 3D-Drucker von ATMAT im XXL-Format darstellt. „Von Anfang an konzentrierten wir uns parallel zu den kundenspezifischen Projekten auch auf 3D-Drucker. Nur aufgrund unseres mit den kompakten 3D-Druckern gesammelten Know-hows sind wir überhaupt in der Lage gewesen, eine effiziente großformatige 3D-Drucktechnologie zu entwickeln, wie sie in Jupiter und Saturn zum Einsatz kommt”, betont Robert Grolik.
Jupiter und Saturn eignen sich nicht nur für die Erstellung funktionaler Prototypen. Die Anlagen sind dafür ausgelegt, direkt in Produktionslinien integriert zu werden, was eine optimierte Massenproduktion von individuellen 3D-Bauteilen ermöglicht. „Internationale Konzerne, vor allem aus der Automobilindustrie, greifen gerne darauf zurück”, erklärt Robert Grolik. Der Grund: Die Individualisierung von Fahrzeugen, zusätzlich zu den vielen Ausstattungsoptionen, wird immer wichtiger. „Additivtechnologie ermöglicht die Herstellung dieser personalisierten Ausstattungselemente – in kurzer Zeit, auf einfache Weise und mit geringem finanziellem Aufwand.” Drucken lassen sich nicht nur einfache Bauteile wie Felgenkappen oder Lenkradelemente, inzwischen sind auch größere und durchaus komplexe Konstruktionen bis hin zum Armaturenbrett oder Leuchtelement realisierbar.
Darüber hinaus ist es den Fahrzeugherstellern ernst damit, den 3D-Druck auch für die Produktion ganzer Autos einzusetzen – sowohl für limitierte Fahrzeugserien als auch für funktionale Prototypen, um das reale Aussehen eines neuen Modells noch vor dem Start der Serienfertigung im Maßstab 1:1 zu präsentieren. Dieser Trend ist nicht nur in der Automobilindustrie sichtbar: „Wir sehen das am wachsenden Anteil ungewöhnlicher Aufträge und kleiner Produktserien”, so Robert Grolik. Denn 3D-Druck ermögliche nicht nur, innovative Lösungen vor der Produktion zu testen. 3D-Druck erleichtere Unternehmen ebenso die Organisation der Kleinserien-Fertigung: Einzelne Komponenten müsse man nicht mehr im Voraus bestellen und einlagern; sie werden nach Bedarf gedruckt.
Der Großformatdrucker Saturn ist ein Musterbeispiel für diese Vorteile. Speziell für anspruchsvolle, das heißt präzise Anwendungen entwickelt, kombinieren die Krakauer Maschinenbauer eine massive Granit-Werkbank mit einer Portalachse mit zwei Druckwerken (Haupt- und Hilfskopf) für eine hohe Druckgeschwindigkeit. Der Hauptkopf besteht aus zwei Extrudern mit einer bzw. zwei Druckdüsen. Dies beschleunige den Druck auch von komplexen Geometrien erheblich, so Robert Grolik. Die richtige Temperatur der Arbeitsbühne stellt ein in den massiven Tisch eingebautes Vier-Zonen-Heizsystem sicher. Deren unabhängige Temperaturregelungen reduzieren nicht nur den Energieverbrauch, sie ermöglichen auch ein schnelleres Erreichen der eingestellten Arbeitstemperatur. Um die Temperatur konstant zu halten, ist der geradezu riesige Druckbereich in einer wärmeisolierten Heizkammer eingebaut.
Kompakte Antriebstechnik für präzise Bewegungen
ATMAT hat den Drucker mit den kompakten Servomotoren AM8121 von Beckhoff ausgestattet. Sie sorgen im Zusammenspiel mit der massiven Konstruktion für eine Positioniergenauigkeit von 50 µm (X/Y-Achsen) und 10 µm für die Z-Achse. Ausschlaggebend bei der Wahl der Antriebskomponenten waren für ATMAT die positiven Erfahrungen aus der bisherigen Zusammenarbeit bei der Jupiterbaureihe. „Ein Vorteil der Servomotoren AM8121 ist, dass sie von den Servomotorklemmen EL72xx angesteuert werden können", sagt Krzysztof Pulut, Regional Sales Manager bei Beckhoff. „Aufgrund ihrer kompakten Abmessungen im Format der Standard-EtherCAT-Klemmen ermöglichen sie eine erhebliche Platzersparnis im Schaltschrank im Vergleich zu konventionellen Servoverstärkern.“ Zudem reduziert die One Cable Technology (OCT) die Verdrahtung des Druckers deutlich, da Power und Feedback in einer Leitung kombiniert sind. „Darüber hinaus verringert OCT das Risiko von Fehlverdrahtungen und reduziert beim Maschinenbauer die Anzahl der vorzuhaltenden Systemkomponenten”, fügt Krzysztof Pulut hinzu. Die Bewegung der Z-Achse wird mit einem Schrittmotor ausgeführt, der von der EtherCAT-Klemme EL7031 angesteuert wird.
Beckhoff lieferte auch alle I/O-Module, einschließlich der Sicherheitstechnik. Die Safety-Anforderungen sind mit TwinSAFE und den TwinSAFE-Klemmen EL6900, EL1904 und EL2904 realisiert. Die speziellen Sensoren, die u. a. die Temperatur der Extruder-Köpfe, des Tisches und der Kammer überwachen, werden mit entsprechenden EtherCAT-Klemmen eingebunden. „Die Temperaturregelung ist bei FDM-Druckern für die Schmelzschichtung entscheidend, da sie die Qualität des Druckteils gewährleistet”, stellt Robert Grolik die Wichtigkeit der Klemmen für den Druckprozess heraus. Essenziell für gute Druckergebnisse ist auch eine weitere interessante Lösung, die sich die Automatisierungsspezialisten von ATMAT haben einfallen lassen: Sie messen den Abstand zwischen Druckkopf und Tisch per Lasersensor, was insbesondere bei den ersten Materialschichten die Druckqualität verbessert.
Intuitive Bedienung per TwinCAT HMI
Automatisiert und kontrolliert wird der 3D-Drucker über TwinCAT 3 und den Einbau-Panel-PC CP6700 aus der Economy-Baureihe. „Dessen Intel-Atom®-Prozessor (Dual Core) und 4 GB RAM sind selbst für unsere komplexeren Druckaufträge vollkommen ausreichend”, betont Robert Grolik. Hinsichtlich Systemintegrität setzen die Experten auf einen 30 GB Flash-Speicher als externes Medium und eine Beckhoff-USV mit 1 s Backup. Ausschlaggebend für die Wahl der Steuerungshardware waren vor allem die Widerstandsfähigkeit gegen die teils rauen Produktionsbedingungen und die integrierte Visualisierungssoftware TwinCAT HMI. „Letztere bietet eine Vielzahl von Layouts und kurze Reaktionszeiten, einen Remote-Zugriff sowie die Unterstützung von QR-Code-Scannern“, so Robert Grolik.
„Was uns überzeugt, mit Beckhoff zusammenzuarbeiten, ist die Offenheit für Innovationen. Denn Beckhoff entwickelt und realisiert kontinuierlich Lösungen, die bei anderen Herstellern selten zu finden sind. Aus unserer Sicht am wichtigsten waren OCT, eine fortschrittliche Entwicklungsumgebung für das HMI sowie der Panel-PC mit Windows 10 als Betriebssystem, was die Einbindung unserer 3D-Drucker in übergeordnete Systeme erleichtert", schließt Robert Grolik.