PC-based Control bei moderner Wasserstoff-Speichertechnologie
Der Anteil der erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind und Wasser steigt kontinuierlich. Um diese aber wirklich effizient, d. h. beispielweise auch bei einem Überangebot, nutzen zu können, sind ausreichende Speichermöglichkeiten unverzichtbar. Eine besonders kompakte und sichere Möglichkeit hierfür sind die mit PC-based Control von Beckhoff gesteuerten Niederdruck-Wasserstoffspeicher auf Metallhydrid-Basis von GKN Hydrogen.
„Die Energiewende wird ohne nachhaltige und langfristig speicherbare Energie nur sehr schwer zu erreichen sein“, ist Gottfried Rier, CTO von GKN Hydrogen im italienischen Pfalzen, überzeugt. Zumal der Energiebedarf weltweit auch zukünftig noch weiter steigen werde. Um hier konsequent auf erneuerbare Energien setzen zu können, seien ausreichende Speichermöglichkeiten für den Ausgleich der nicht kontinuierlichen Energieerzeugung z. B. durch Photovoltaik und Wind unerlässlich. Als Pufferverfahren sehr gut geeignet ist die Wasserstoff-Speichertechnologie, wie Gottfried Rier erläutert: „Durch erneuerbare Energiequellen erzeugter Wasserstoff ist vollständig CO2-neutral und er lässt sich auf verschiedenen Ebenen einsetzen – direkt als Brennstoff oder über Brennstoffzellen als elektrischer Strom. Hinzu kommt, dass sich Wasserstoff insbesondere bei dem von uns verwendeten Niederdruckverfahren einfach transportieren und somit dezentral verbrauchen lässt. Weiterhin verfügt Wasserstoff verglichen mit fossilen Brennstoffen über einen 2,7-fachen Energiegehalt und kann in Verbindung mit Metallhydrid sehr kompakt und sicher gespeichert werden.“
Multipel nutzbare Metallhydrid-Speicher
GKN Hydrogen hat hierfür eine Technologie entwickelt, bei der speziell aufbereitetes Metallhydrid mit Wasserstoff multipel, d. h. mehrtausendfach auf- und entladen werden kann, ohne dass die Speicherfähigkeit nachlässt. Ein weiterer Vorteil insbesondere gegenüber batteriebasierten Systemen liegt in der langen Speicherzeit: Wasserstoff lässt sich sogar über Jahre hinweg verlustfrei speichern. Konkret umgesetzt wurde dies in den drei Speichersystemen HY2MINI (bis zu 25 kg Wasserstoff, 420 kWh elektrische Speicherkapazität), H2YMEDI (bis zu 120 kg, 2 MWh) und HY2MEGA (kaskadierbar bis zu 250 kg, über 8,3 MWh).
Das Metallhydrid muss zur optimalen Aufnahme des Wasserstoffs lediglich auf ca. 20 bis 30 °C erwärmt werden; für das Abgeben des Wasserstoffs ist eine Temperatur von 60 bis 90 °C erforderlich. Daniel Schwingshackl, Advanced Engineering bei GKN Hydrogen, ergänzt: „Ein großer Vorteil des Verfahrens liegt im geringen erforderlichen Druck: Unsere Lösungen arbeiten im Niedrigdruckbereich bis maximal 40 bar. Dabei benötigen sie gegenüber einem vergleichbaren Gastank nur ein 15-fach kleineres Volumen und bieten im Vergleich beispielweise zu den Tanks von Wasserstofffahrzeugen mit 700 bar Druck deutlich weniger Gefahrenpotenzial.“ Hinzu komme als weiterer Sicherheitsaspekt, dass der Wasserstoff zu rund 96 % eine Verbindung mit dem Metallhydrid eingehe, also nur zu 4 % flüchtig enthalten sei. Außerdem lasse sich bei der Herstellung der Systeme nachhaltig auf Recyclingmaterial zurückgreifen und durch den niedrigen Druck eine Limitierung der erlaubten Materialeinsatzzeit vermeiden.
Steuerungswechsel für mehr Flexibilität
Für die komplexen Prozessabläufe und die Auswertung der ca. 150 Sensoren wird eine leistungsfähige und zugleich äußerst flexible und einfach skalierbare Steuerungstechnik benötigt. Diese Anforderungen führten schließlich im Jahr 2021 zum Wechsel von der bislang klassischen SPS-Steuerungstechnik hin zu PC-based Control von Beckhoff. Roland Hilber, Electrical & Software Engineering bei GKN Hydrogen, verdeutlicht dazu: „Die gute Skalierbarkeit hin zu höheren Rechenleistungen und insgesamt die einfache Handhabung der Beckhoff Steuerungstechnologie waren entscheidend. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Systemoffenheit und Modularität. Durch das breite Spektrum an I/O-Klemmen stehen uns alle Möglichkeiten zur Einbindung unterschiedlichster Komponenten offen – von vielfältigster Sensorik und anderen erforderlichen Drittgeräten bis hin zu den anzubindenden Systemkomponenten wie Brennstoffzelle und Elektrolyseur. Nicht zu vergessen sind auch die Vorteile, die sich durch den schnellen und sehr kompetenten Support von Beckhoff Österreich ergeben haben. Gerade mit Blick auf zukünftige Projekte ist dies von großer Bedeutung.“
Die hohe Präzision und Schnelligkeit der PC- und EtherCAT-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff scheint im prozesstechnischen Umfeld auf den ersten Blick nicht immer erforderlich zu sein. Für Daniel Schwingshackl ist sie dennoch wichtig: „Eine hochpräzise Steuerung wird zukünftig von zentraler Bedeutung sein, sobald unsere Kunden Energie an die Börse liefern müssen und dies zeitlich genau umzusetzen ist.“ „Weitere Voraussetzung dafür ist eine möglichst exakte Energieerfassung und -auswertung, wie wir sie mit den Energiemessklemmen EL3443 und EL3446 sowie dem Konzept der verteilten Leistungsmessung von Beckhoff realisieren können“, ergänzt Roland Hilber. Zusätzliche Daten, die in die Anlagensteuerung einfließen, sind beispielsweise Temperatur und Druck der Brennstoffzelle oder der ebenfalls über Temperatur und Druck indirekt bestimmte Beladezustand. Mit all diesen Informationen lässt sich der komplette Energiefluss effizient managen.
Den Kern des Steuerungssystems bildet der Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015, der für Roland Hilber neben der kompakten Bauweise auch den Vorteil der Energieeffizienz bietet: „Gerade im Inselbetrieb unserer Speichersysteme zählt jedes Watt, das für den Systembetrieb notwendig ist und damit nicht für die eigentliche Nutzung zur Verfügung steht. Für die Bedienung kommt einerseits ein Multitouch-Control-Panel CP2916 zum Einsatz, das laut Roland Hilber wegen seines ansprechenden Designs und guten Preis-Leistungsverhältnisses ausgewählt wurde. Andererseits setze GKN Hydrogen für die Visualisierung auf TwinCAT HMI, mit dem man auch eigene Controls einfach nutzen könne.
I/Os und Software effizient einsetzbar
Neben der Vielfalt und Modularität des Beckhoff I/O-Systems, die bis hin zu den ELX-Klemmen und dem entsprechenden Explosionsschutz-Know-how reichen, steht für GKN Hydrogen vor allem die zugrunde liegende EtherCAT-Kommunikation im Vordergrund. Als wichtigste Vorteile nennt Roland Hilber hier das Plug-and-Play der EtherCAT-Komponenten, die automatische Teilnehmererkennung bei Netzwerkerweiterungen und den insgesamt äußerst stabilen Netzwerkbetrieb.
Von der bei PC-based Control systemintegrierten Messtechnik profitiert GKN Hydrogen ebenfalls. Dies beginnt bei den Stromwandlern der SCT-Serie, die problemlos anstelle der zuvor verwendeten Wandler eingesetzt und ebenso einfach in Betrieb genommen werden konnten. Mithilfe der EtherCAT-Energiemessklemmen wird die Leistungsaufnahme des Gesamtsystems detailliert erfasst, um beispielsweise Anomalien bzw. Oberwellen zu erkennen. Daten zu den internen Leistungen einzelner Geräte bzw. Verbraucher helfen zur Prozessoptimierung und auch bei Neuentwicklungen, indem sich nicht optimale Arbeitspunkte oder Überdimensionierungen erkennen lassen. Hier kommt wie erwähnt auch das Konzept der verteilten Leistungsmessung mit den Energiemessklemmen EL3443 und EL3446 zum Tragen – eine besonders effiziente und kostengünstige Möglichkeit, um auch in komplexeren Systemen exakte Leistungsmessdaten zu erhalten. Entscheidend ist dabei, dass sich mit der EL3446 als reiner Strommessklemme alle relevanten elektrischen Daten des Versorgungsnetzes inkl. echter Leistungsmesswerte ermitteln lassen. Die für die Berechnung der Leistungsdaten erforderlichen Spannungswerte erhalten die im System verteilten EL3446 über EtherCAT von einer separat nur einmal zu installierenden Leistungsmessklemme EL3443 übermittelt – über die verteilten Uhren (Distributed Clocks) von EtherCAT zeitlich exakt synchronisiert. Auf diese Weise minimieren sich der Hardware- und Installationsaufwand.
Effizienz hat sich laut Roland Hilber ebenso beim TwinCAT-Einsatz gezeigt: „Die Integration in Visual Studio bietet für uns große Vorteile, weil viele unserer Experten aus diesem Bereich kommen und Hochsprachen gewohnt sind. Durch den logischen Aufbau sowohl der Software als auch der Steuerungsprojekte findet man sich zudem in TwinCAT sehr schnell zurecht.“ Zum Einsatz kommt zudem TwinCAT Scope View, das eine einfache und bei Bedarf auch über Tage hinweg laufende Auswertung der relevanten Daten ermöglicht. Hinsichtlich der von TwinCAT bereitgestellten Konnektivität stehen GKN Hydrogen ebenfalls alle Wege offen, für den IoT-Datentransfer in erster Linie OPC UA und MQTT.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Das breite Anwendungsfeld der Wasserstoffspeicher von GKN Hydrogen reicht von Windenergieanlagen und systemrelevante Infrastrukturen über Industriebetriebe und Krankenhäuser bis hin zu Mehrfamilienhäusern. Ein Paradebeispiel ist die nachhaltige Energieversorgung der in Südtirol auf 3.145 m Höhe gelegenen Müllerhütte, die nur im Sommer betrieben wird und eine Alternative zu einem defekten Windrad und einem veralteten Dieselaggregat suchte. Mit dem Wasserstoffspeicher HY2MEDI (für 60 kg Wasserstoff) konnte sogar in dieser abgelegenen Bergregion mit ihren extremen klimatischen Bedingungen eine autarke Energieversorgung realisiert werden. Der dabei notwendige Wasserstoff wird vor Ort per Elektrolyse mithilfe der in der Umgebung verfügbaren Sonnen- und Wasserkraft erzeugt.