PC- und EtherCAT-basierte Motion Control für die intraoperative Bildgebung beim Röntgen
Im Jahr 2014 präsentierte das österreichische Medizintechnik-Unternehmen medPhoton erstmals seine Bildgebungslösung für die Strahlentherapie. Diesen Imaging Ring gibt es mittlerweile auch in einer mobilen Version, um auf chirurgischen Stationen vor, nach und sogar während einer Operation ins Körperinnere sehen zu können. Für die Erreichung der gewünschten Blickwinkel und eine millimetergenaue Ausrichtung der Röntgenquelle zum Patienten wird auf PC- und EtherCAT-basierte Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff gesetzt.
Die medPhoton GmbH ist ein Spin-off der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität und der Salzburger Landeskliniken, das 2012 von Heinz Deutschmann gegründet wurde. Gemeinsam mit einem anfangs noch kleinen Team aus Medizintechnikern und Softwareentwicklern verfolgte der Vollblut-Physiker mit seinem Wechsel in die Selbständigkeit die Vision, ein „Schweizer Taschenmesser der diagnostischen Bildgebung“ zu erschaffen und auf den Markt zu bringen. Mittlerweile werden solche universell einsetzbaren Geräte bereits gebaut, derzeit rund 35 Stück pro Jahr. „Unser Imaging Ring ist ein hochauflösender Computertomograph, der nicht nur zwei- oder dreidimensionale Aufnahmen liefert, sondern zudem noch eine Durchleuchtung mit gepulster Röntgenstrahlung ermöglicht. Eine Funktion, die sich u. a. für die Erfassung und Digitalisierung intraoperativer anatomischer Veränderungen nutzen lässt“, beschreibt Michael Hubauer-Brenner, Executive Director Operations bei medPhoton, eine Lösung, die sich für die Integration in unterschiedlichsten Behandlungsabläufe anbietet.
In der Onkologie spielt die Erfindung der Salzburger beim Sichtbarmachen von Tumoren sowie bei deren gezielter Bestrahlung ihre Stärken aus, in der Chirurgie bei der 3D-Führung der operierenden Ärzte. „Wir kommen aufgrund unserer Firmenhistorie aus der Strahlentherapie, wo unsere Geräte in der Regel an der Decke oder am Behandlungstisch montiert werden. In diesem Anwendungsbereich gibt es genügend Platz für zwei bis drei Schaltschränke. Gänzlich anders gestaltet sich die Situation in der computerassistierten bildgeführten Chirurgie“, spricht Andreas Schippani, Executive Director Finance bei medPhoton, die meist sehr beengten Verhältnisse in einem Operationssaal an. Demzufolge versuchte man bei der jüngsten CT-Generation, die gesamte Automatisierungstechnik in den Armen, Beinen sowie im Träger des Imaging Rings unterzubringen. Die Kompaktheit der eingesetzten Beckhoff-Komponenten und eine dezentrale Systemarchitektur mit verteilter Steuerungs- und Antriebsintelligenz machten dies möglich.
Flexibilität bei Bewegung und Bildgebung
Der mobile Bildgebungsroboter Imaging Ring m/Loop-X, der in enger Zusammenarbeit mit einem weltweit führenden Spezialisten für softwaregestützte Medizintechnik – dem Unternehmen Brainlab – entwickelt wurde, kommt mit einer kleinen Standfläche von 182 x 87 x 189 cm aus und ist ein wahres Bewegungstalent. „Er steht auf zwei Beinen mit jeweils zwei Rädern, die unabhängig voneinander in unterschiedliche Richtungen drehbar sind. Somit kann er vor, zurück und verdreht fahren, Drehungen um den eigenen Schwerpunkt oder irgendeinen anderen Punkt im Raum ausführen sowie im Batteriemodus sogar von einem OP-Saal in einen anderen wechseln – vollkommen autonom. Der Bediener muss lediglich am Steuerungstablet die entsprechenden Navigationsbefehle eingeben“, schildert Armin Schlattau, Head of Automation Development bei medPhoton.
Maximale Flexibilität ist bei dem Roboter allerdings nicht nur in Sachen Mobilität gegeben, sondern auch bei der Bildgebung. Durch die radiale Anordnung von Strahlungsquelle und Detektor bei gleichzeitiger, aber voneinander unabhängiger Beweglichkeit, ergeben sich zahlreiche Vorteile. Dazu zählen die Erreichung eines besonders großen dreidimensionalen Sichtfelds (Field of View) und die Möglichkeit einer nicht-isozentrischen Bildgebung. „Das bedeutet, dass sich die Patienten während des Röntgens nicht in der Mitte der Gantry-Öffnung befinden müssen, da das System die Scan-Region vollautomatisch im relevanten Bereich positioniert“, erklärt Andreas Schippani. Sein Kollege Armin Schlattau fügt ergänzend hinzu: „Obwohl wir eine kleine Detektorfläche haben, können wir dadurch, dass wir die einzelnen Achsen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten kontinuierlich bewegen, dynamisch Panoramabilder mit Ansichten aus verschiedenen Blickwinkeln generieren.“ Orchestriert wird das Zusammenspiel der insgesamt 26 Achsen von einem Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6015 mit Intel®-Atom™-CPU und vier Prozessorkernen. Da sich dieser mit Abmessungen von nur 82 x 82 x 40 mm mit einem minimalen Bauraum begnügt, passte er laut medPhoton perfekt in das Designkonzept des Bildgebungsroboters. Dabei koordiniert der IPC einerseits sämtliche Motion-Control-Aufgaben und fungiert andererseits als TCP/IP-Server, der über die TwinCAT ADS Communication Library die Verbindung zum übergeordneten Datenverarbeitungsrechner realisiert.
Bahngesteuertes 3D-Röntgen
Um als optische Positionierhilfe bei allen zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren Laserprojektionen in Form von Linien, Kreuzen oder Rechtecken am Patienten erzeugen zu können, nutzt medPhoton die Kurvenscheibenfunktion TwinCAT NC Camming. Diese stellt nicht-lineare Beziehungen zwischen Master- und Slave-Achsen her. „Für die Errechnung eines volumetrischen 3D-Bilds aus Hunderten 2D-Projektionen müssen wir genau wissen, zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Blickwinkel die einzelnen Aufnahmen erfolgten. Etwaige Fehler hätten fatale Auswirkungen, schließlich geht es hier um medizinische Eingriffe“, weist Michael Hubauer-Brenner auf die Bedeutung der exakten, mit Zeitstempel versehenen Signale hin. „Wir sind nicht nur auf präzise Positionsangaben angewiesen, sondern messen auch auf Nanosekunden genau, wie lange wir aus welcher Richtung röntgen“, beschreibt Armin Schlattau einen Vorgang, bei dem u. a. die digitale Eingangsklemme EL1252 mit XFC-Timestamp-Funktion eingesetzt wird.
Produktvielfalt aus einer Hand
In Summe sind im Bildgebungsroboter mehr als zehn verschiedene Klemmentypen von Beckhoff verbaut – darunter TwinSAFE-Komponenten wie z. B. EL1904 oder EL6910 sowie Schrittmotorklemmen EL7037 und Servomotorklemmen EL7221-9014 mit One Cable Technology (OCT). „Als wir im Mai 2017 auf der Linzer Fachmesse Smart Automation nach einem Steuerungstechniklieferanten für die mobile Version unseres Imaging Rings Ausschau hielten, waren wir aufgrund der angebotenen Produktvielfalt im Kompaktformat sehr schnell von Beckhoff überzeugt“, erinnert sich Armin Schlattau. Vor allem die Schrittmotorklemme mit Inkremental-Encoder, die Integration eines vollwertigen Servoverstärkers in eine nur 12 mm breite EtherCAT-Klemme sowie die Bündelung der Energieversorgung und eines digitalen Feedbacksystems in nur einem Motoranschlusskabel bei den Servomotoren AM8121 sprachen laut dem Automation Development Engineer für den Verler Automatisierungsspezialisten.
„Obwohl sich die Komplexität und Leistungsfähigkeit unseres Systems erhöhte, konnten wir den Platzbedarf für die Automatisierungstechnik auf ein Zehntel reduzieren“, freut sich Michael Hubauer-Brenner über das Ergebnis einer produktiven Zusammenarbeit, die bis dato keine Wünsche offenließ. Doch das Ende der Fahnenstange sei längst noch nicht erreicht. „Es wird sicher noch einige Weiterentwicklungen bei unseren Imaging Ringen geben und wir hoffen weiter auf kreativen Input von Beckhoff“, sagt Andreas Schippani abschließend. Und Balázs Bezeczky, Leitung des Beckhoff-Vertriebsbüros Wien, präsentiert daraufhin postwendend eine erste Optimierungsidee: „Mit unseren neuen Servomotorklemmen ELM72xx im Metallgehäuse könnte man bei der Antriebstechnik noch kompakter werden. Außerdem lässt sich mit der Variante ELM72xx-9018 ein umfangreiches Safe-Motion-Funktionspaket inklusive Safe Limited Speed und Safe Limited Position abbilden.“ Seine Einladung zu einem Testlauf mit der zweikanaligen Ausführung ELM72x2 wurde bereits angenommen.