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dafeng-stage

08.07.2024

Bewegliche Wände eröffnen den Dialog zwischen Hightech und Historie

PC-based Control inszeniert chinesisches Kulturerbe in moderner Museumsinstallation

Zhejiang Dafeng Industry ist ein führender Lösungsanbieter aus China für den Kultur- und Tourismussektor. Beim Bau eines nationalen Pavillons in Hangzhou erhielt Dafeng den Auftrag zur Entwicklung eines intelligenten Faltwandsystems. Mit ihrer grünlichen Fliesenoberfläche erinnert die Installation an ein berühmtes Landschaftsgemälde. Beim synchronen Verfahren der 251 tonnenschweren Wände sorgt die PC- und EtherCAT-basierte Steuerungstechnologie von Beckhoff für funktionale Sicherheit gemäß SIL 3.

Der Pavillon dient als Zentrum für die Bewahrung, Ausstellung, Forschung und den Austausch. Es vereint die Funktionen einer Bibliothek, eines Museums, einer Kunstgalerie, eines Archivs und eines Ausstellungsorts. Der neu angelegte Gebäudekomplex ist harmonisch in eine Berglandschaft eingebettet. Architektonisches Highlight ist eine Faltwand aus beweglichen Wandelementen, welche den Ausstellungsraum nach außen öffnen oder verschließen kann. Dazu werden die Wandelemente entweder schräg ausgerichtet wie die Flügel eines traditionellen Wandschirms oder bündig nebeneinander aufgestellt wie eine bemalte Stellwand. Dem Designkonzept folgend ähnelt die Installation dem berühmten chinesischen Gemälde „Tausend Meilen Flüsse und Berge“, das auf einer Breite von über 50 m ein blaugrünes Landschaftspanorama zeigt. Daher sind die 251 Wandschirme der gesamten Installation aus etwa 70.000 in traditionellen Brennöfen speziell angefertigten Seladon-Fliesen aufgebaut. Seladon ist eine für diese Region typische Keramik, die durch ihre grünliche Glasur an Jade erinnert und während der kulturell bedeutsamen Song-Dynastie (960 bis 1279) sehr populär war. Auch das Gemälde wird dieser Periode zugeordnet. Das reibungslose Öffnen und Schließen der hohen und schweren Wände übernimmt eine PC-basierte Steuerung von Beckhoff und stellt so eine sichtbare Verbindung zwischen der Kulturgeschichte und modernster Automatisierung her.

Beim Schließen der Wände müssen je zwei Achsen für die Translation und eine Achse für die Rotation hochpräzise angesteuert werden, damit die Lücken nicht größer als 1 cm werden.
Beim Schließen der Wände müssen je zwei Achsen für die Translation und eine Achse für die Rotation hochpräzise angesteuert werden, damit die Lücken nicht größer als 1 cm werden.

Stabilität, Präzision und Sicherheit

Die Bauphase des Pavillons begann bereits im Jahr 2020. Wegen der hohen Steuerungsanforderungen geriet die Realisierung der Seladon-Wandinstallation jedoch ins Stocken, denn der größte Wandtyp misst 2,1 m x 10,4 m und wiegt bei einer Stärke von 22 cm vier Tonnen. Die maschinelle Ausrüstung musste diese Wände nicht nur sicher tragen können, sondern auch die ruckfreie Bewegung und Verschiebung in einem dafür vorgesehenen Schienensystem ermöglichen, weil die Wände sonst durch ihre hohe Massenträgheit zerbrechen würden.

„Im Maschinenbau haben wir es hauptsächlich mit Materialien wie Stahl zu tun. Bis dahin hatte ich noch nie mit Keramik gearbeitet", sagt Huafeng Yan, Entwicklungsleiter für die Seladon-Faltwand bei Dafeng. Das enorme Gewicht der Fliesenwand, das aus der hohen Materialdichte resultiert, bedingt außerdem, dass die mechanischen Fehler bei der Positionierung klein sein müssen. Wenn die Wände gedreht werden, um sie flach nebeneinander auszurichten, darf der Abstand zwischen ihnen nie größer als 1 cm sein. Größere Lücken zwischen den Wandschirmen würden die Ähnlichkeit der Installation mit dem namensgebenden Gemälde „Tausend Meilen Flüsse und Berge“ zu sehr beeinträchtigen.

Das von Dafeng entwickelte System integriert Funktionen zur Bewegungssteuerung, Logiksteuerung, Sicherheitsüberwachung und Echtzeitsynchronisation. Es beinhaltet verschiedene Algorithmen z. B. für Antivibrations- und Beschleunigungsfunktionen mit einer Überlagerung der Parabeln, um sicherzustellen, dass die Seladon-Faltwände 16 Bewegungsprofile reibungslos durchlaufen können. Die Sicherheitssteuerung der Anlage hat laut Dafeng die SIL-3-Zertifizierung erhalten, entsprechend dem höchsten Sicherheitsstandard der Europäischen Union. „Wir haben damit ein weltweit führendes Niveau für technische Implementierungen im Kulturbereich erreicht“, sagt Hufeng Yan.

Leistungsstarke PC-basierte Steuerung

Das Herzstück der Steuerung ist der Embedded-PC CX2040 mit einem Intel® Core™ i7-Prozessor, mit 4 GB Hauptspeicher und dem Betriebssystem Windows 10. Damit bietet die PC-basierte Steuerungsplattform eine hohe Rechenleistung und ermöglicht mit der Automatisierungssoftware TwinCAT 3 ein flexibles Engineering gemäß IEC 61131-3. Die gemischte Nutzung der Programmiersprachen Structured Text (ST), Function Block Diagram (FBD) und Ladder Diagram (LD) erleichterte laut Huafeng Yan die Entwicklung der kundenspezifischen Algorithmen und Logikprogramme erheblich. Auch die Bewegungssteuerung konnte mit der TwinCAT-3-Motion-Control-Bibliothek basierend auf den PLCopen-Bausteinen schnell entwickelt werden.

Ein Embedded-PC CX2040 mit einem Quadcore-Prozessor Intel® Core™ i7 bietet eine hohe Rechenleistung zur Steuerung der vielen Servoachsen in der Installation.
Ein Embedded-PC CX2040 mit einem Quadcore-Prozessor Intel® Core™ i7 bietet eine hohe Rechenleistung zur Steuerung der vielen Servoachsen in der Installation.

Jede Seladon-Faltwand wird über drei Servoachsen gesteuert – zwei Achsen für die Translation und eine Achse für die Rotation. Bei insgesamt 251 Einzelwänden muss also jede Steuerung die Synchronisation von mehr als 100 Achsen übernehmen. Für die Erfüllung dieser Anforderungen nutzt Dafeng TwinCAT NC, um über eine komplexe Cam-Tabelle entsprechende Slave-Positionen zu spezifizieren und geeignete Interpolationspositionen sowie -geschwindigkeiten zu planen. Eine in C# entwickelte High-Level-Monitoring-Software ermöglicht den schnellen und effizienten Austausch sehr großer Datenmengen über das Protokoll ADS.

Präzise Servosteuerung über EtherCAT

EtherCAT hat sich als schnellste Industrial-Ethernet-Technologie etabliert, weil sie im Vergleich zu traditionellen Feldbussystemen sehr hohe Datenübertragungsraten bietet. Die Seladon-Wandinstallation profitiert hiervon durch eine entsprechend hohe Präzision. Alle Servoachsen werden über die Distributed-Clocks-Funktion zur Synchronisierung aller Knoten in einem Netzwerk gesteuert, wobei der Jitter innerhalb des gesamten Systems weit unter 1 μs liegt. Für die Steuerung jeder Seladon-Wand werden drei Servoantriebe benötigt, die über ein Netzwerkkabel mit einem Port eines 8-fach-EtherCAT-Abzweigs CU1128 verbunden sind. Darüber hinaus unterstützt das System eine Hot-Connect-Funktion für das bequeme An- und Abkoppeln sowie den Austausch im Fehlerfall ohne Unterbrechungen des Betriebs.

Für einen zuverlässigen und sicheren Betrieb nutzt die Wandinstallation TwinCAT 3 EtherCAT Redundancy (TF6220). Diese EtherCAT-Kabelredundanz integriert das gesamte System in einem geschlossenen Regelkreis, in dem ein physikalischer oder verbindungstechnischer Fehler an einem Knotenpunkt den Betrieb der anderen Netzwerkteilnehmer nicht unterbricht. Dieser Aufbau verhindert die Beeinträchtigung des Systems durch transiente elektromagnetische Störungen und reduziert das Risiko von Ausfällen erheblich.

Integration von Wissenschaft, Technologie und Kultur

Die Seladon-Faltwände können in jedem beliebigen Winkel geöffnet und geschlossen werden, um in verschiedenen Szenarien ein elegantes visuelles Erlebnis zu schaffen. Das Highlight des nationalen Pavillons schützt dabei den Publikumsverkehr durch sein hohes Sicherheitslevel. Huafeng Yan sieht den Projekterfolg vor allem in der tiefen Integration von Technologie und Kultur: „Die Außenwelt sieht Bühnentechnik im Allgemeinen als Teil der Fertigungsindustrie. Tatsächlich wird der Trend, dass digitale Technologien und kulturelle Innovation die traditionellen Fertigungsindustrien stärken, immer deutlicher. Die Erfahrung, am Bau des nationalen Pavillons teilzunehmen, stellt zweifellos einen Höhepunkt in der Geschichte unseres Unternehmens dar.“