2020 ist für Beckhoff Automation ein Jahr der Jubiläen
Autor: Ronald Heinze
Erstveröffentlichung in Open Automation 6/2020, VDE Verlag, www.vde-verlag.de
Vor 40 Jahren gegründet, startete das Unternehmen 1985 mit PC-basierten Steuerungen und 1995 brachte es die Busklemmen auf den Markt. openautomation sprach exklusiv mit dem geschäftsführenden Inhaber Hans Beckhoff über die vielen Innovationen des Unternehmens.
„Die wirtschaftliche Entwicklung sehen wir derzeit akzeptabel positiv“ stellt H. Beckhoff fest. „Als wachstumsverwöhntes Unternehmen können wir seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt auf 15 % jährliches Umsatzwachstum zurückblicken.“ Dieses Wachstum konnte jedoch in 2019 nicht erzielt werden. Schon ab Mitte 2018 hatte sich laut dem Geschäftsführer eine kräftige Reduzierung des Auftragseingangs gezeigt, insbesondere bei den Stammkunden aus dem Maschinenbau. Der Geschäftsführer ist jedoch zufrieden: „In 2019 haben wir mit 903 Mio. Umsatz in etwa das Vorjahresniveau (–1 %) erreicht, ein akzeptables bis gutes Ergebnis unter den gegebenen Rahmenbedingungen.“
Mittlerweile steuert Beckhoff China 20 % am Gesamtumsatz des Unternehmens bei. Vor allem Maschinen zur Herstellung von Solarmodulen, Windenergieanlagen sowie der allgemeine Maschinenbau sind hier die Erfolgsfaktoren. Die Umsatzentwicklung in den einzelnen Ländern ist in 2020 unterschiedlich: China liegt im Plus, Europa ohne die DACH-Region ist ausgeglichen, in Deutschland verzeichnet Beckhoff Automation allerdings ein höheres einstelliges Minus. Dies liegt vor allem im Investitionsgüterbereich begründet: Der Maschinenbau leidet zum einen aufgrund der Entwicklungen im Automobilbereich und zum anderen an dem weltweit reduzierten Geschäft wegen der Corona-Krise und den Spannungen im weltweiten Handel. Im Gebäudesektor ist allerdings auch in Deutschland kein Rückgang zu verzeichnen. „In der Summe führt das zu weniger Wachstum, als wir das in den letzten Jahren gewohnt waren“, schließt er an.
Wachstum trotz Corona-Krise in 2020
„Während der Corona-Krise waren unsere Produktion und die Lieferfähigkeit zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt“, äußert H. Beckhoff. „Wir hatten und planen auch keine Kurzarbeit, wir arbeiten mit voller Auslastung. In diesem Jahr rechnen wir vorbehaltlich der Entwicklung der letzten Wochen mit einem leichten Wachstum von knapp 2 % auf etwa 920 Mio. € Umsatz“, freut sich der Geschäftsführer. Mit neuen Kunden konnten krisenbedingte Rückgänge bei Beckhoff-Stammkunden kompensiert werden.
„Unsere Investitionen setzen wir wie geplant weiter fort – unbeeinflusst von Corona“, stellt der CEO heraus. So wird der Produktionsbereich für die Antriebstechnik weiter ausgebaut; die entsprechende Fläche wird verdreifacht. Die Einbindung von Lean-Aspekten bezüglich Transportwege, Materialhandling sowie neuen Ablaufplänen steigert hier die Effizienz deutlich. H. Beckhoff: „Die Vergrößerung der Produktion der elektronischen Antriebstechnik ist ein wichtiger Aspekt für unser Wachstum in den nächsten Jahren, sowohl im Bereich der klassischen rotatorischen und linearen Antriebstechnik als auch im Bereich der alternativen Linearkinematiken, wie unser lineares Multi-Mover-Transportsystem XTS und unser 6-dimensionales schwebendes Multi-Mover-Transportsystem XPlanar.“
Ausgebaut werden weiterhin die Vertriebskanäle: In Betrieb geht jetzt das neue Büro in Houston/USA, einem wichtigen Zentrum der Prozessindustrie. In Aachen wurde direkt neben der RWTH Aachen ein Büro eröffnet, mit dem die Zusammenarbeit im Forschungssektor intensiviert werden soll. „Wir investieren zunehmend in eigene Gebäude in unseren Auslandsniederlassungen, um die lokale Identität zusätzlich zu erhöhen“, berichtet der Unternehmensinhaber. So hat Beckhoff Dänemark im August ein neues eigenes Headquarter eröffnet. „Unser Ziel ist es, überall nahe an unseren Kunden zu sein und daher werden unsere Vertriebsnetze immer weiter ausgebaut und verdichtet.“
40 Jahre Erfolgsgeschichte
Für die Automatisierungstechnik sind 40 Jahre ein beachtliches Jubiläum. Begonnen hat Unternehmer Hans Beckhoff 1980 zunächst in einem kleinen Lagerraum als 1-Mann-Betrieb, wo er für Kunden im Rahmen eines elterlichen Elektroinstallationsbetriebes erste Schaltschränke baute. Der studierte Kernphysiker erkannte jedoch den beginnenden Siegeszug der Mikroelektronik und entwickelte daher als eigene Produkte Positionierelektroniken auf Mikroprozessorbasis, die er zusammen mit den Schaltschränken als Systemlösung im Maschinenbau aus dem Bereich der Fenster- oder Holzmaschinen einsetzte. Aus dem Lagerraum wurde dann eine Garage, in der auch Elektriker aus dem väterlichen Elektroinstallationsbetrieb mit aushalfen, und aus der Garage dann 1984 das erste eigene Industriegebäude. Die ersten Jahre waren geprägt als Systemintegrator mit zum Teil eigenentwickelter Elektronik. „Das änderte sich mit der Entwicklung unserer PC-basierten Steuerungstechnik im Jahre 1986. Wir erkannten, dass diese Technik die Grundlage für ein ganzes Automatisierungssystem aus CPU, IO, Antriebstechnik, Software und IT-Funktionen bildete. Mit dieser Kombination von Eigenschaften waren wir dem Wettbewerb ein gehöriges Stück voraus und so wagten wir uns 1990 das erste Mal auf eine Messe, die Hannover Messe“, erinnert sich H. Beckhoff. „Wir waren die steuerungstechnischen Revolutionäre und hatten eine ausgeprägt andere Technik-Philosophie als die traditionellen Automatisierungshersteller. Diese fanden die fortschrittlichen, dynamischen Kunden äußerst interessant, die traditionellen lehnten sie ab. Unsere erste Messe war spannend und zu meiner Freude kann ich sagen, dass auch die heutigen Messen ebenso spannend sind. Denn es sind immer noch die innovativen Kunden, die zu uns kommen und unsere Begeisterung teilen!“
Die erste Dekade von Beckhoff Automation war geprägt vom Spezialvertrieb. Mit dem Beginn der 1990er-Jahre startete der Aufbau des allgemeinen Vertriebs für Automatisierungsgeräte in Deutschland. In den 2000er-Jahren begann die weltweite Expansion des Vertriebs. „Heute verfügen wir über 22 Niederlassungen in Deutschland und sind in 39 Ländern über eigene Tochterunternehmen und in mehr als 75 Ländern insgesamt vertreten“, bestätigt der Manager.
Während der Unternehmer die ersten Teile noch selbst lötete, werden heute von einzelnen Teilen Millionen Stückzahlen produziert. „Wir können nun auf 40 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken, von 50 000 DM Umsatz im ersten Jahr bis zu aktuellen 900 Mio. Euro, von einem Mitarbeiter bis zu 4 300 Mitarbeitern, von einem 8-Bit-Mikroprozessor mit 4 MHz Taktfrequenz zu einem 48-Kern-/64-Bit-Prozessor mit 4 GHz! Unser Unternehmen ändert sich stetig, das gilt für unsere Produkte und unsere Unternehmensorganisation. Ein wenig fühlen wir uns immer noch wie ein Start-up-Unternehmen, zwar 40 Jahre alt und ein wenig größer geworden, aber immer noch mit dem unbedingten Spaß, die Welt durch neue Technologie auf den Kopf zu stellen!“
„Auch im Bereich des Vertriebs sind immer Innovationen notwendig und natürlich fehlen uns aktuell die Messen als persönlicher Treffpunkt für Kunden“, setzt H. Beckhoff fort. „Allerdings geben uns die virtuellen Plattformen wie Microsoft Teams die Möglichkeit, mit den Kunden in einen noch intensiveren Kontakt zu treten, auch über verteilte Standorte.“ Mit Live-Vorträgen, den Online Automation Updates, kommuniziert das Unternehmen wichtige technische Neuerungen und hält den Kontakt zu den Kunden.
„Auf der virtuellen SPS Connect und den eigenen Online-Events stellen wir neue Produkte vor, verdeutlichen aber auch den funktionalen Systemgedanken unserer PC-Control-Philosophie“, erläutert H. Beckhoff. „Automatisierungstechnik bei Beckhoff, das bedeutet eine durchgängige Plattform vom preisgünstigen Klein-Controller bis zu ‚Many Core‘-Hochleistungs-CPU, durchgängig ethercatbasierte IO-Busklemmen, Antriebe und Sensorik, ultraschnelle und wenn nötig hochkomplexe SPS-Funktionalität mit tief integrierten Safety-Funktionen für Ablauf und Bewegung, sowie Vielachsen-Motion-Funktionen von einfachen Punkt-zu-Punkt-Bewegungen über 5-achsige CNC- und Roboterkinematiken bis hin zu Mover-basierten neuartigen Linearkinematiken. Hinzu kommen eine in die Steuerungsfunktion integrierte präzise Messtechnik, Echtzeit-Hochsprachen-C++-Programmierung, Echtzeit-Integration von Matlab/Simulink-Funktionen, integrierte Echtzeit-Bildverarbeitung, ‚ready to use‘ künstliche Intelligenz sowie eine hervorragende Anbindung an Edge- und Cloud-basierte Industrie-4.0-Funktionen. Diese umfassende Automatisierungsplattform ist das Ergebnis von 40 Jahren Innovation und Erfahrung, von 40 Jahren gemeinsamer Projekte mit unseren Kunden!“
Machine Learning und Cloud-Aktivitäten
Einen Schwerpunkt in diesem Jahr bildet die Fertigstellung der ersten Produkte im Bereich Machine Learning. „Vor vier Jahren begannen wir, uns intensiv mit Artificial Intelligence (AI) zu beschäftigen“, sagt H. Beckhoff. „Wir haben diese faszinierende Technologie grundsätzlich kennengelernt, entwickelt und für die Automatisierung optimal angepasst. Wir sind besonders stolz, dass unsere ML-Inferenz-Umgebung in harter Echtzeit im Kontext der SPS läuft. Damit eröffnen sich viele neue Steuerungsmöglichkeiten, die wir nun allen Kunden als integralen Bestandteil von Twincat zur Verfügung stellen.“
Das Cloud-based Engineering befindet sich laut H. Beckhoff in der internen Testphase: „Es können mit Cloud-based Engineering auf einfache Weise Engineeringwerkzeuge in einer virtuellen Maschine in der Cloud statt auf dem Laptop direkt genutzt werden.“ Über einen Internetbrowser kann Cloud-based Engineering von allen möglichen Endgeräten mit allen möglichen Betriebssystemen genutzt werden, ohne dass etwas installiert werden muss. H. Beckhoff: „Zum Jahresende wird es als Produkt freigeschaltet.“ Vorbehalte gegen die Cloud sind dabei unnötig, da der Quellcode nicht unbedingt in der Cloud gespeichert werden muss. Aber selbst das ist laut dem CEO nicht nur komfortabel, sondern auch sicher. Denn die großen Cloud-Anbieter unterstützen mit entsprechenden Diensten in Form von Repositories (GIT). „Wir arbeiten dabei hervorragend mit Microsoft und Amazon Web Services zusammen“, schließt er an.
Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Neuheiten bei der Software Twincat. Neue Libraries für XPlanar stehen zur Verfügung und ebenso neue Controls für Twincat HMI. Beckhoff-Steuerungen verfügen über viele offene Schnittstellen, einige weitere werden jetzt in Richtung Kommunikation zu Siemens hinzugefügt. So kann das System nun mit Mindsphere, das Industrial IoT als Servicelösung von Siemens, verbunden werden. Zudem wurde eine neue Twincat-zu-S7-Kommunikation implementiert. Intensiv unterstützt Beckhoff die Gaia-X-Initiative. „Es wird das Ziel verfolgt, ein einheitliches Interface für die Datendienste aus den darunterliegenden Cloud-Lösungen zu definieren“, erklärt H. Beckhoff. „Mit Gaia-X soll eine europäische Antwort auf die Vorherrschaft amerikanischer und asiatischer Hyperscaler geschaffen werden. Wir denken, dass dieser Ansatz auch für die Anwendungen in der Automatisierungstechnik nützlich ist.“
Momentum für die Prozessindustrie
Mit PC-based Control ist das Unternehmen Beckhoff längst auch in der Prozessindustrie erfolgreich aktiv. So ist die FDT/DTM-Schnittstelle bereits seit einigen Jahren ein fester Bestandteil von Twincat. „Damit werden die Hart-Produkte von Beckhoff konfiguriert und Twincat kann mit der Hart-Konfiguration in andere Systeme integriert werden“, erläutert H. Beckhoff. „Mit Twincat MTP (Module Type Package) startet nun der nächste große Schritt in Richtung Prozessindustrie.“ Damit lassen sich mit Beckhoff-Controllern gesteuerte Module einfach OPC-UA-basiert in Prozessleitsysteme einbinden. Die mit Twincat automatisierten Module einer Anlage können über die Import- sowie Export-Funktion in Twincat MTP auf einfache Weise zu Gesamtanlagen orchestriert werden.
„Der Trend zur modularen Automatisierung in der Prozesstechnik unterstreicht die Vorzüge unserer PC-basierten Steuerungstechnik“, findet H. Beckhoff. Die feine Skalierung der Steuerungen ermöglicht es dem Modulhersteller, die für das jeweilige Modul geeignetste Steuerung auszuwählen. Twincat MTP wird bis zum Jahresende released, Pilotprojekte laufen bereits.
Feuerwerk an Neuheiten für IPC-Technologie
Nach 35 Jahren IPC-Technik von Beckhoff können Anwender auch in diesem Jahr wieder viele Neuheiten erwarten. Rückenwind erhalten die Verler Automatisierungsspezialisten aufgrund der Tatsache, dass die CPU-Hersteller zunehmend industrielle Anwendungen ihrer Produkte in den Fokus nehmen. Sie warten mit Programmen zur Langzeitverfügbarkeit und speziell eingebauten Funktionen wie die zeitliche Ablaufsteuerung von internen Bussen sowie TSN-fähige Ethernet-Controller im Silizium auf.
Die vor drei Jahren herausgebrachte Erfolgsserie an Ultra-Kompakt-Industrie-PC C60xx wird ausgebaut: Der lüfterlose Core-i-Rechner C6025 wird zum Ende 2020 released und erhält die neuen Intel-Prozessoren „Whiskey Lake“. „Diese Rechner bieten herausragende Automatisierungseigenschaften, lassen sich aber auch als leistungsstarke, kompakte Edge Devices einsetzen“, lässt H. Beckhoff wissen.
„Der ultrakompakte IP65/67-IPC C7015 eröffnet neue Möglichkeiten der Direktintegration des IPC in die Maschine“, stellt er die nächste Innovation vor. Herz dieses IPC sind die Intel-Atom-Prozessoren „Apollo Lake“. Der integrierte Ethercat-PMaster sorgt für zusätzliche IO-Anbindung im Feld. Mit den umfangreichen Schnittstellen und konsequenter Intel-Atom-Multicore-Technologie eignet sich der IPC zum Automatisieren, aber auch für die Cloud-Kommunikation. „Mit diesem IPC, Ethercat P und IP-65-IO-Box-Modulen kann sehr einfach ein komplettes Datenerfassungssystem realisiert werden – auch ohne Schaltschrank“, stellt er als Vorteil heraus.
Weiterhin werden die zwangsbelüfteten Rechner C6030 und C6032 sowie alle auf ATX- und 3½-Zoll-Motherboards basierende IPC auch mit der Intel-Core-i8/9-Generation „Coffee Lake/Coffee Lake Refresh“ ausgestattet. Kostensensitive Hochleistungsautomatisierung mit nur einem IPC mit bis zu acht Kernen wird dadurch möglich. „Anwender nutzen diese Rechner gern wegen der hohen Performance“, schließt der Geschäftsführer an. „Die Ausnutzung der Mehrkern-Technologie durch die Twincat-3-Funktion Isolated-Cores gewinnt zunehmend an Bedeutung, selbst bei einfacheren Anwendungen.“
Die neue Embedded-PC-Familie CX20x3 wird nun mit Dualoder Quad-Core-AMD-Ryzen-CPU ausgestattet. „Aufgrund herausragender Echtzeit-Eigenschaften sowie der Unterstützung von 32- und 64-bit-Systemen, d. h. von Twincat 2 und Twincat 3, eignen sich die Rechner bestens für alle Automatisierungsaufgaben“, weiß H. Beckhoff. „Mit AMD tritt ein neuer ‚alter‘ Mitspieler auf, der im x86-Embedded-Markt die Karten gerade neu mischt.“ Erwartet wird ein Wachstumsschub für Rechnersysteme im industriellen Umfeld, da neben den klassisch etablierten PC-basierten Steuerungen auch die sich sortierenden Bereiche des Edge Computing, Fog Computing, Cloud Computing, Machine Learning, AI und Vision die Anwendungsfelder ausweiten.
Mit der Einführung der USV-Baureihe CU81xx stehen unterbrechungsfreie Spannungsversorgungen für alle IPC/CX/Panel-Produkte zur Verfügung. Diese bieten eine flexible Kommunikationsanbindung entweder über die Einkabellösung UPS-OCT für 24-V-Versorgung und Datenübertragung oder getrennt über einen USB-Anschluss.
Eine weitere Neuheit ist die Einführung der Controller-Plattform CX7000 auf Basis des ARM-Cortex-M7. Für weniger als 200 Euro Listenpreis steht hiermit eine leistungsfähige Twincat-3-SPS zur Verfügung, die zudem über integrierte IO und LAN-Anschluss verfügt. Über das Ethercat-Busklemmeninterface kann die SPS fast beliebig mit allen Beckhoff-Busklemmen erweitert und natürlich auch die große weite Welt der Ethercat-Geräte angeschlossen werden. Laut H. Beckhoff ist der CX7000 „ein wahres Wunderkind“, wenn man Preis und Leistung gegenüberstellt. „Wir stellen unseren Kunden immer leistungsfähigere Lösungen immer preiswerter zur Verfügung“, merkt der Geschäftsführer an. „Damit wird auch die Anwendungsvielfalt für die Querschnittstechnologie Automatisierung immer breiter.“
Keine wirkliche Überraschung ist mehr, dass Beckhoff nun mit Twincat/BSD für alle neueren IPC-Plattformen ein alternatives Betriebssystem unterstützt. Dieses kombiniert die Twincat Runtime mit „FreeBSD“, einem industriell erprobten, Unixkompatiblen Open-Source-Betriebssystem, das ohne GPL-Lizenzierung auskommt. Für H. Beckhoff gilt es als Alternative oder auch Nachfolger für Windows Embedded Compact 7 (CE7). Vorstellbar ist allerdings, dass in Zukunft auch „Big- Windows-Applikationen“ abgelöst werden, also Anwendungen mit Windows 7 oder 10. „FreeBSD“ – und damit auch Twincat/BSD – unterstützt sowohl ARM-CPU als auch Intel-Xeon-Prozessoren und bietet somit eine skalierbare Plattform von kleinen Embedded- bis zu Hochleistungs-IPC-Steuerungen. Laut dem Geschäftsführer befindet sich sein Unternehmen damit „in bester Gesellschaft mit Microsoft, die neben Windows auch zunehmend Unix-Varianten unterstützen.“
Das Thema HMI hat für das Unternehmen Beckhoff nicht an Charme verloren. „Täglich adaptieren wir Kundenanforderungen und realisieren perfekt auf die jeweilige Applikation angepasste Panels bzw. Panel-PC“, freut sich der CEO. Des Weiteren können Kunden auch standardmäßig ab Stückzahl 1 die Tastererweiterung mittels eines Konfigurators an ihre Applikation anpassen. Die Ostwestfalen haben bereits im Jahr 2012/13 als einer der ersten großen Industrieautomatisierer Multitouch-Technik maschinentauglich gemacht und damit einen neuen Trend in der Industrie gesetzt. Nach wie vor drängen bekannte sowie auch viele kleinere Unternehmen neu in das Segment „IPC“. „Unser Know-how, die Fertigungsdichte und vor allem der enge Kontakt zum Kunden lassen uns zeitgemäße Industrie-PC-Hardware entwickeln und anbieten – hoch performant oder preisoptimiert“, betont H. Beckhoff.
Bus-/Ethercat-Klemmen – Grundbausteine für die Automatisierung!
Der Geschäftsführer erinnert sich: „1995, also vor nunmehr 25 Jahren, haben wir die Busklemmen auf der Hannover Messe vorgestellt. Das war damals für die ganze Automatisierungsbranche eine echte Revolution! Denn zuvor gab es nur Feldbus-Block-IO mit z. B. 8/16/32 E/A. Mit den Busklemmen vereinigten wir die erprobte und bekannte Reihenklemmenbauform mit moderner IO- und Kommunikationstechnologie. Dies ermöglichte einen fein granularen Aufbau der Klemmenleiste direkt im Klemmkasten entsprechend dem gewünschten Signalmix. In vielen Anwendungen fiel zudem eine ganze Verdrahtungsebene weg, die Klemmkästen wurden kleiner, die ganze IO-Station preiswerter. Wir bezeichneten damals die Busklemme als einen neuen Grundbaustein der Automatisierungstechnik, so wie z. B. auch ein Schütz ein Grundbaustein ist. Und das war richtig, denn praktisch alle Automatisierungshersteller haben die Bauform aufgegriffen und nachgebaut. Heute ist die Busklemme überall als Standard-IO verfügbar. Leider haben wir die Idee damals patentrechtlich nicht richtig geschützt… Das Busklemmensystem ist auch ein schönes Beispiel für mittelständische gemeinsame Entwicklungsarbeit. Damals war Beckhoff schon ein ziemlich gutes Hard- und Softwareunternehmen, aber wir hatten wenig Erfahrung mit elektromechanischen Gehäusekonstruktionen. Mit Wago haben wir einen Partner gefunden, der die elektromechanische Entwicklung übernommen hat. Beide Unternehmen haben ihr spezifisches Know-how in das Projekt eingebracht, beide haben das Produkt in den Markt eingeführt, beide sind damit erfolgreich geworden. Ein wunderbares Beispiel für Zusammenarbeit!“
Über 1 000 Varianten der Bus-/Ethercat-Klemmen gibt es heute bei Beckhoff, für fast jede Signalart und jeden Anwendungsfall stehen Klemmen zur Verfügung. Im Verlauf der Jahre ist das System stetig erweitert worden. Neben den Standard- Signalen der Automatisierung stehen heute auch viele Kommunikationsklemmen, messtechnische Präzisionsklemmen, „gelbe“ Safetyklemmen, „blaue“ EX-i-Klemmen, Motorsteuerungsklemmen und viele weitere Ausführungen den Beckhoff-Anwendern zur Verfügung. H. Beckhoff kommentiert: „Besonders freut uns, dass wir unser Klemmensystem über 25 Jahre in der Bauform stabil gehalten haben. Fast alle unsere Klemmen, die wir 1995 am Anfang vorgestellt haben, gibt es auch heute noch als Beckhoff-Serienprodukte. Wir haben früh verstanden, dass die langfristige Verfügbarkeit ein hohes Gut für unsere Kunden ist. Natürlich haben wir für alle Signalarten regelmäßig neue Designs eingeführt, um Performance und Preis zu optimieren, aber die Kompatibilität ist erhalten geblieben und wird auch weiterhin erhalten bleiben. 25 Jahre gibt es das Busklemmensystem bereits, wir denken, dass weitere 25 Jahre vor uns liegen!“
Der Geschäftsführer ergänzt: „Ethercat ist eine weitere heute weltweit genutzte und anerkannte Basistechnologie, die Beckhoff erfunden und in die Automatisierung eingeführt hat. Zwar feiert sie dieses Jahr kein Jubiläum, ist sie doch in 2003 der Öffentlichkeit vorgestellt worden.“ Auch hier freut es H. Beckhoff, dass der Standard seit seiner Einführung stabil gehalten werden konnte und Ethercat heute nach wie vor die Referenz für offene, schnelle, deterministische, einfach zu handhabende und preiswerte Kommunikationstechnik im Steuerungsbereich ist. „Kompatibel zu Ethercat werden auch die Technologieerweiterungen Ethercat G und Ethercat G10, also die 1- und 10-Gbit/s-Varianten, aktuell in den Markt eingeführt. Leistungsreserven für die Zukunft sind damit aus der Sicht von Beckhoff mehr als ausreichend vorhanden!“
Überhaupt bietet Ethercat laut dem CEO alles, um auf der IO-Ebene eine einfach handhabbare und hoch performante Kommunikationslösung zur Verfügung zu stellen. „Wir unterstützen die Entwicklung von TSN intensiv mit vielen Ressourcen“, bemerkt H. Beckhoff. „TSN eignet sich vor allem dafür, unterschiedliche Steuerungen miteinander zu kombinieren.“ Für die IO-Ebene muss man in Bezug auf TSN „mit seiner komplexen Switch-Technologie allerdings von zu viel unnötigem Overload ausgehen“ – für ihn nicht wirklich lösungsorientiert.
Unter vielen Neuheiten im IO-Bereich ist besonders die neue Servoklemmen-Serie ELM72xx im robusten Metallgehäuse hervorzuheben. Das Metallgehäuse erlaubt eine Verdopplung der bisherigen Leistungen bis auf 1 000 W Antriebsleistung! Ebenso sind STO/SS1 und die Brems-Chopper-Ansteuerung standardmäßig integriert. Optional gibt es auch das umfangreiche Funktionspaket Safe Motion z. B. mit Safe Limited Speed und Safe Position. Damit können 2-Kanal-Servo-Antriebsklemmen kräftige Preisvorteile bieten. Vier- und achtkanalige Thermoelementklemmen der ELM33xx-Serie erweitern im Bereich der hochpräzisen, messtechnischen Klemmen das Portfolio. Die neue Serie EL51xx zur Auswertung von 5-V-Inkrementalencodern (RS-422/TTL) führt zu 50 % Platzersparnis im Schaltschrank.
Gespannt blicken die Verler auf Single Pair Ethernet (SPE). „Wir halten SPE für eine sehr sinnvolle Entwicklung“, stellt H. Beckhoff heraus. Dies gilt insbesondere auch aus prozesstechnischer Sicht: Hier hängt viel davon ab, ab wann SPE-Feldgeräte zur Verfügung stehen werden. Die Integration der Eigensicherheit zum Ex-Schutz ermöglicht neue Konzepte mit reduzierten Verdrahtungsaufwänden, verbesserter Diagnose und der Möglichkeit zu Plug-and-play-Mechanismen bei der Feldgeräteinstallation. „Wir sind ein großer Anhänger der Einkabeltechnologie und haben deshalb auch Ethercat P vor vier Jahren herausgebracht“, setzt der Geschäftsführer fort. „Die SPE-Entwicklung sehen wir ähnlich. Gerade auch bei niedrigeren Datenraten könnte Ethercat hier mit seiner Protokolleffizienz punkten.“
Stromversorgungen als Systembestandteil
„Zu jeder Automatisierungslösung gehört eine Stromversorgung“, sagt H. Beckhoff. „Bisher hatten wir diese nicht im Programm – das haben wir nun geändert.“ Die zuverlässige Versorgung der Automatisierungsprodukte mit 24 V oder 48 V stellt eine Voraussetzung für einen störungsfreien und langlebigen Betrieb dar. Erfahrungen im Zusammenspiel mit Netzteilen im Rahmen der kompakten Antriebstechnik oder dem XTS-System gibt es im Haus viele. Auch bei IPC und dem elektronischen Überstromschutz im Klemmenformat (EL922x) ist das gute Zusammenspiel mit der Stromversorgung entscheidend für den langfristigen, problemfreien Betrieb.
„Die umfangreichen Erfahrungen, die wir bereits gesammelt haben, stellen wir jetzt in Form eines breiten Portfolios mit ein und dreiphasigen Stromversorgungen der Serien PS1000, PS2000 und PS3000 zur Verfügung“, schließt der Unternehmer an. Die Stromversorgungen sind optimal auf die Automatisierungskomponenten des Unternehmens abgestimmt und haben einen hohen Wirkungsgrad. „Wir werden nun ebenso im Bereich der Stromversorgungen als Systemanbieter unsere Kunden umfangreich beraten und mit der passenden Lösung versorgen können“, betont der Diplom-Physiker.
Mehr Drive für hochdynamische Positionieraufgaben
Gemeinsam mit dem wachsenden Tochterunternehmen Fertig Motors hat Beckhoff eine neue Generation an leistungsstarken und modular aufgebauten Linearmotoren entwickelt, die bereits in Serie verfügbar sind: Die Produktfamilie AL8000 basiert auf einem modularen Baukastensystem aus Linearmotoren und Magnetplatten. Der Anwender kann zwischen den drei Baubreiten 50 mm, 80 mm und 130 mm wählen. „Unsere vollständig in Deutschland entwickelte und produzierte Produktfamilie deckt ein breites Feld an Kräften von 120 N bis 6750 N ab und bietet maximale Skalierbarkeit für optimierte Statorlängen“, versichert H. Beckhoff. „Wir können für unsere Kunden den optimalen Motor zusammenstellen.“ Berechnen lassen sich die Motoren mit dem Auslegungstool Motion Designer, welches ebenso für die rotativen Motoren verwendet wird.
Der Servoverstärker AX8000 wurde um die beiden kombinierten Netzteil- und Achsmodule AX8540 und AX8525 erweitert. Damit stehen in diesem Programm Achsregler mit bis zu 40 A Dauerstrom für leistungsfordernde Applikationen zur Verfügung. An die Module können weitere Achsmodule kontaktiert werden. Erfreulich ist, dass sich die IP65-geschützten AMP-Motoren mit integriertem Leistungsverstärker mittlerweile erfolgreich im Einsatz befinden. „Die Produktion der AMPModule wird aktuell ausgebaut, da wir ein hohes Interesse an diesen Produkten erwarten“, ergänzt der CEO.
Weiterhin gut entwickelt sich das lineare Transportsystem XTS. „Wir gewinnen viele neue Projekte in unterschiedlichen Märkten“, hebt H. Beckhoff hervor. Auch hier gibt es Neuheiten: Die Mover können Kräfte bis 200 N erzeugen. Daraus ergeben sich neue Anwendungen. Außerdem sind nun fast beliebige Bahnverläufe möglich, da auch L-, U- und T-Formen realisiert werden können. „Zusammen mit den positiven und negativen Radien haben die Mover größte Freiheiten“, schließt der Unternehmenschef an.
Sehr gute Resonanz gibt es auf die XPlanar-Technologie mit den schwebenden Movern für kontaktlose Bewegungen. „Unsere Technologie findet Anklang in vielen Industriebereichen“, weiß H. Beckhoff. „Aber auch in Anwendungen, an die wir nie gedacht haben, zum Beispiel als Präsenter für Luxus-Uhren.“ Inzwischen werden drei Mover-Größen unterstützt. Die automatische Mover-Erkennung ist auch bei Entnahme im laufenden Betrieb möglich. Eine weitere neue Funktion ist das Track- Management. Somit lassen sich mehrere Tracks parallel und unabhängig befahren. Weiterhin können Mover mechanisch gekoppelt werden.
Mit den vielen Innovationen im Rücken blickt der geschäftsführende Gesellschafter auch auf das Jahr 2021 optimistisch: „Unsere Kunden aus dem Serienmaschinenbau werden sich wieder erholen und dazu kommt das Plus, welches wir mit neuen Kunden realisieren.“ Die vielen Innovationen eröffnen weitere neue Anwendungsfelder. Sie helfen den Anwendern, ihre Maschinen und Anlagen nachhaltig zu optimieren. „Solange mit höherer Effizienz mehr produziert werden soll, werden wir gebraucht“, schließt er ab.