Die weltweite Coronavirus-Krise
"Die Epidemie hat in China ihren Höhepunkt überwunden, zum Glück hat sich keiner unserer Kollegen hier im Land mit dem gefährlichen Virus infiziert", berichtet Liqiang Liang, Geschäftsführer Beckhoff China. In der Volksrepublik China brach das Virus als erstes aus und verbreitete sich seit Ende 2019 rasant. Liqiang Liang aus Peking und sein Kollege Xingkai Ma aus der Zentrale von Beckhoff China in Shanghai, erzählen, wie es ihnen und den Kollegen in den vergangenen Monaten mit der Epidemie in ihrem Land ergangen ist.
Ab dem 20. Januar warnte die Regierung die Bevölkerung eindringlich vor dem neuartigen Coronavirus, welches bei einigen Menschen – insbesondere bei Älteren und Vorerkrankten – schwere Lungenerkrankungen hervorrufen kann. Um den Virus einzudämmen, schottete die Regierung bereits am 23. Januar die Stadt Wuhan vollständig ab, wo das Coronavirus erstmals identifiziert wurde. "Hier wurden sehr schnell konsequente Maßnahmen ergriffen und der sogenannte Lockdown der Stadt eingeleitet", berichtet Xingkai Ma. Viele andere Provinzen und vor allem die dicht besiedelten Millionenmetropolen zogen nach.
"China ist ein sehr großes Land. Alle Provinzen haben ihre eigenen Regeln ausgesprochen, je nachdem, wie gefährdet eine Region ist und wie sich die Fallzahlen entwickeln. Es gibt täglich mehrere Pressekonferenzen der zentralen Regierung aber auch der Provinzregierungen, die die Maßnahmen permanent aktualisieren", erklärt Liqiang Liang.
Strikte Maßnahmen seit Ende Januar
Um das für gewöhnlich erhöhte Reiseaufkommen während des chinesischen Neujahrsfests gering zu halten, verlängerte die Regierung die Feiertage kurzerhand um drei Tage. Viele Städte wurden vollständig heruntergefahren. Es wurden geschlossene Verwaltungen für die einzelnen Wohngebiete installiert, um Kontakte und Ansteckungsrisiken einzudämmen. Die Menschen mit bestätigter Coronavirus-Infektion sowie alle Verdachtsfälle und Kontaktpersonen von Infizierten mussten sich in strenge häusliche Quarantäne begeben. Das bedeutet konkret, dass sie ihr Haus oder ihre Wohnung grundsätzlich nicht verlassen durften. Es wurden spezielle Nachbarschaftskomittees eingerichtet, die für alle Infizierten und potenziell Infizierten sowie deren Kontaktpersonen aus ihrem Zuständigkeitsbereich die Einkäufe erledigten. "Man bestellt und bezahlt im Voraus per App. Die Einkäufe werden dann vor die Tür gestellt", so Xingkai Ma. Und weiter: "Die einzige Ausnahme, um das Haus zu verlassen, sind Arztbesuche. Diese muss man beim Nachbarschaftskomittee anmelden und abstimmen. Aktivitäten an der frischen Luft sind während der Quarantäne vollständig verboten – keine Spaziergänge mit der Familie, keine Joggingrunden und keine persönlichen sozialen Kontakte."
Diese Maßnahmen wirken sehr radikal, dennoch konnte das Land durch konsequentes und striktes Handeln noch schlimmere Ausmaße der Virusverbreitung verhindern. Des Weiteren zeigen die chinesischen Behörden damit auch anderen Ländern, dass lockere Empfehlungen oder nur teilweise umgesetzte Maßnahmen immer noch Möglichkeiten für Ansteckungen offenlassen.
Für alle Personen, die nicht infiziert sind oder zu den potenziell Infizierten zählen, gelten die Quarantänemaßnahmen nicht. "Wir wurden von der Regierung angehalten, zuhause zu bleiben. Wenn wir das Haus für den Arbeitsweg oder Einkäufe verlassen müssen, gilt es einen Mundschutz zu tragen und regelmäßig die Temperatur zu messen. Kinos, Restaurants, Friseure und alle Geschäfte, die nicht zur Versorgung des täglichen Bedarfs benötigt werden, wurden geschlossen. Und man durfte keinen Besuch empfangen, damit die Kontakte unter den Menschen sich auf ein Minimum beschränken", berichtet Xingkai Ma.
So erlebt Beckhoff China den Ausnahmezustand
Am Anfang standen in China, wie in den meisten anderen Ländern auch, behördliche Empfehlungen. Unternehmen sollten umfassende Hygienemaßnahmen umsetzen, um ihre Mitarbeiter vor einer möglichen Ansteckung zu schützen. Nach den verlängerten Feiertagen vom 23. Januar bis 2. Februar gab es in vielen Provinzen die Vorschrift, dass Unternehmen vom 3. bis 9. Februar geschlossen bleiben müssen. "Ab dem 10. Februar haben wir das Homeoffice für unsere Mitarbeiter in Shanghai freiwillig bis zum 16. Februar verlängert, in Peking wiederum wurde es behördlich angeordnet", so Xingkai Ma. Unser Büro in der besonders betroffenen Stadt Wuhan ist noch immer geschlossen, dort wird es noch einige Zeit dauern, bis unsere sechs Kollegen aus dem Homeoffice zurückkehren können. Seitdem 17. Februar gibt es aber wieder Betrieb in den meisten der 22 Beckhoff-Büros.
Allerdings sind dafür Sondergenehmigungen notwendig, die die Unternehmen mit sämtlichen Gesundheitsdaten ihrer Mitarbeiter bei den Behörden beantragen müssen. "Nur wer eine Genehmigung erhält und zusätzlich strengste Hygienemaßnahmen für seine Mitarbeiter einhält, darf in seiner Firma arbeiten", so Liqiang Liang. Die Mitarbeiter bekommen dann ebenfalls Sondergenehmigungen für ihren Arbeitsweg. In der Zentrale in Shanghai, die sich in einem großen Industriepark befindet, werden an allen Eingängen Temperaturmessungen bei den Mitarbeitern durchgeführt. Zudem werden großflächig Desinfektionsmittel bereitgestellt. Nach wie vor vermeiden alle Mitarbeiter Bus- und Bahnfahrten. Die meisten fahren mit dem Auto, Roller, Fahrrad oder Taxi zur Arbeit. Manche gehen zu Fuß.
"Zurzeit befinden wir uns in einer Art reduziertem Modus, den wir noch bis Ende März aufrechterhalten wollen", sagt Liqiang Liang und fügt an: "Das machen wir freiwillig, um unsere Kollegen zu schützen. Wir haben unsere Kollegen in zwei Gruppen aufgeteilt, die wechselseitig jeden zweiten Tag ins Büro kommen. Das heißt: 50 % der Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice, 50 % im Büro. Beide Gruppen sollen sich möglichst nicht begegnen, um das potenzielle Ansteckungsrisiko weiter zu verringern, im Fall einer Infektion die Kontaktpersonen genau eingrenzen zu können und notwendige Quarantänemaßnahmen zu ergreifen."
Wirtschaftliche Auswirkungen halten sich aktuell in Grenzen
"Wirtschaftlich hat uns die Krise zum Glück nicht so hart getroffen, wie viele andere chinesische Unternehmen", berichtet Xingkai Ma: "In der schlimmsten Krisenzeit im Januar und Februar gingen unsere Umsätze natürlich leicht zurück. Wir sind davon abhängig, ob in den Unternehmen unserer Kunden gearbeitet werden kann, also die Produktionen laufen, oder nicht. Bisher lief der März gut und wir gehen davon aus, dass wir bald wieder auf dem Wachstumskurs sind.“ Damit Beckhoff China weiterhin alle Kunden zuverlässig beliefern kann, suchen die Mitarbeiter aktuell nach weiteren Lagerkapazitäten nahe der Zentrale in Shanghai. Xingkai Ma weiß: "Die meisten Kunden haben Angst, dass wir aufgrund von internationalen Sicherheitsvorschriften oder Frachtrestriktionen nicht liefern können. Doch wir können sie beruhigen, da wir schon jetzt über große Lagerkapazitäten verfügen.“
Langsam zurück zur Normalität
Während die Unternehmen also daran arbeiten, die Wirtschaft wieder aufleben zu lassen, steht das öffentliche Leben in vielen Teilen des Landes noch still. Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sind noch immer geschlossen. "In einigen Landesteilen sollen sie Anfang April wieder öffnen", erzählt Liqiang Liang. Xingkai Ma ergänzt: "Doch dazu gibt es in Shanghai bisher keine offiziellen Ankündigungen. Für Eltern könnte es also eine Herausforderung werden, wenn sie wieder ins Büro dürfen, Schulen und Kindergärten jedoch weiter geschlossen bleiben." Viele Schüler werden zurzeit digital unterrichtet und lernen den Schulstoff in Onlinekursen mithilfe von Computer oder Tablet.
Obwohl einige Verhaltensregeln mittlerweile etwas gelockert werden, weil es laut Regierung nur noch geringe Zahlen an Neuinfektionen gibt, ist die Bewegungsfreiheit noch immer eingeschränkt. Über die Handy-App "Health Code" beispielsweise führen die Chinesen einen digitalen Gesundheitsausweis mit sich. Dieser ermittelt anhand des individuellen Bewegungsprofils sowie Temperaturmessungen durch behördliche Mitarbeiter permanent den aktuellen Status einer Person. Mittels farbiger QR-Codes nach dem Ampelsystem (grün, gelb, rot) können sich Menschen "gesundheitlich ausweisen", auf dem Weg zur Arbeit in Wohnanlagen oder Supermärkten. "Wenn jemand einen gelben QR-Code auf seinem Mobiltelefon hat, muss er sich umgehend bei den Behörden melden. Ein roter Code bedeutet, dass man ein potenzieller Risikoträger ist, etwa weil man sich in einer besonders betroffenen Region aufgehalten hat. Dann muss man sofort in häusliche Isolation. Ist der Code grün, ist alles in Ordnung", erklärt Xingkai Ma.
Wie wird sich das Leben nach dem Coronavirus in China verändern?
Die chinesische Regierung hat den Flugverkehr seit Ausbruch des Virus‘ stark eingeschränkt. Maschinen, die in Peking landen sollen, werden über umliegende, weniger dicht besiedelte Provinzen umgeleitet, um die Passagiere vor der Einreise genauestens auf das Coronavirus und mögliche Risikofaktoren zu untersuchen. Erst dann geht es weiter in die Hauptstadt. Flugreisende nach Shanghai müssen unter Umständen einige Nächte in eigens eingerichteten Quarantänehotels verbringen, bevor sie ihre Reise fortsetzen können. Aber auch Inlandsreisende müssen je nach Risikolage in den von ihnen besuchten Städten mit einer anschließenden 14-tägigen Quarantäne rechnen. "Eine permanente Angst, dass das Virus z. B. durch Reisende aus dem Ausland zurückkommt und wir eine zweite Infektionswelle erleben, ist allgegenwärtig", berichtet Xingkai Ma. "Die Menschen reisen nicht mehr so wie früher, das merkt man schon. Jeder, der nicht unterwegs sein muss, bleibt in seiner Stadt und überlegt ganz genau, welche Wege wirklich notwendig sind", ergänzt Liqiang Liang.
Daneben zeigt die Coronavirus-Krise, dass Technologien wie 5G, IoT, Big Data und Cloud-Anwendungen immer wichtiger werden. "Da wir während des Ausgangsverbots all unsere Einkäufe für den täglichen Bedarf per App erledigten und auch sonst viel Zeit für Online-Shopping hatten, haben E-Commerce und Expresslogistik einen regelrechten Boom erlebt. Ich denke, unser Konsumverhalten wird sich in Zukunft grundlegend ändern. Dinge wie Homeoffice und digitaler Unterricht wären ohne all die genannten Technologien nicht möglich. Durch sie konnten aber noch größere wirtschaftliche Katastrophen abgefangen werden. Außerdem sind Apps wie Health Code wichtige Werkzeuge, um die Gesundheit eines so großen Volkes zu gewährleisten. All diese Entwicklungen markieren vermutlich erst den Anfang einer ab jetzt noch schneller voranschreitenden Digitalisierung", so Xingkai Ma.
Persönliche Tipps von Liqiang Liang
"Wenn wir eins gelernt haben, dann ist es, dass man konsequent sein muss. Die besten Maßnahmen bringen nichts, wenn die Menschen sie nicht einhalten", berichtet Liqiang Liang. Und ergänzt: "Das einzige, was wirklich hilft, ist sich eine Zeit vollständig zu isolieren, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Das bedeutet: keine Partys, keine Besuche bei Freunden und Verwandten und auch keinen Besuch in der eigenen Wohnung empfangen. Alle, die von zuhause arbeiten können, sollten nicht ins Büro gehen und öffentliche Verkehrsmittel sollte man unbedingt meiden."
Aktuell kümmern sich einige Mitarbeiter von Beckhoff China zusätzlich zu ihrer Arbeit darum, Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken und weitere medizinische Güter, die in anderen Teilen der Welt aktuell Mangelware sind, zu beschaffen. Auf Wunsch von Hans Beckhoff sollen sie diese an Krankenhäuser in den derzeit schwer vom Coronavirus betroffenen Länder schicken.