TwinCAT CNC und Antriebstechnik in der Zerspanungstechnik
Wer behauptet, mit Knickarm-Robotern könne man harte Materialien nicht präzise bearbeiten, den belehrt toolcraft eines Besseren: Daniel Distler und Andreas Bauer realisieren mit der TwinCAT CNC und PC-based Control von Beckhoff Roboter-Zellen für die präzise Bearbeitung von Bauteilen − unter anderem massive Blöcke aus Siliziumkarbid und Grauguss.
Bei toolcraft weiß man genau, was die verarbeitende Industrie braucht, welche Verfahren und Technologien in der Praxis funktionieren und welche nicht. Denn toolcraft fertigt nicht nur im Kundenauftrag mit inzwischen 60 CNC-Maschinen, sondern konzipiert, plant und erstellt schlüsselfertige Produktionsanlagen für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen.
1989 als Lohnfertiger gestartet kamen nach und nach weitere Kompetenzen in verschiedenen Fertigungstechnologien dazu, 2005 im Bereich Spritzguss- und Formenbau gefolgt von additiven Fertigungstechnologien im Jahr 2011. 2015 folgte die Robotik als vorerst jüngste Technologiesparte bei toolcraft. „Egal in welcher Technologie wir uns bewegen, wir wollen immer die Kompetenz haben, um Komplettlösungen anbieten zu können“, erklärt Daniel Distler, Bereichsleiter Robotik mit Schwerpunkt Vertrieb und Personal.
Das Spektrum reicht von einfachen Vorrichtungen bis hin zu komplexen Anlagen mit Integration in Bestandsanlagen beim Kunden. „Es ist nicht immer der einfachste Weg, Maschinen mit neuer Technologie beim Endkunden mit Bestandssteuerungen zu verbinden, aber mit einer flexiblen Steuerungstechnik funktioniert das“, so Andreas Bauer, Bereichsleiter Robotik mit Schwerpunkt Engineering bei toolcraft.
Eine Automatisierungsplattform für alle Anwendungen
Daher greifen Andreas Bauer und Daniel Distler auf PC-based Control zurück, beispielsweise bei den Fertigungszellen mit 7-Achs-Fräsrobotern für die Bearbeitung von Bauteilen auf CNC-Niveau. „Die TwinCAT CNC war die erste Steuerung mit integrierter Schnittstelle zur Stäubli-Robotersteuerung (TwinCAT Robotics uniVAL PLC, TF5130). Dieses Technologiepaket hat uns vieles bei der Umsetzung des Projekts erleichtert,“ erinnert sich Andreas Bauer. Ein Anwender fräst mit der von toolcraft konzipierten Bearbeitungszelle inzwischen Grundgestelle für die Wafer-Produktion aus großen Siliziumcarbit- und Graugussblöcken. „Hier setzte toolcraft bereits unsere TwinCAT CNC ein“, ergänzt Alexander Klos, Vertrieb, Beckhoff Niederlassung Nürnberg.
Anfangs bearbeitete der Kunde die Blöcke noch mit klassischen 5-Achs-CNC-Maschinen. Doch beim Fräsen des harten Materials entsteht feinster Staub, der in jede Fuge, Linearführung und in jedes Lager eindringt und in kurzer Zeit massive Probleme verursacht. Die CNC-Maschinen waren schnell zerschlissen und erforderten eine Generalüberholung. „Wir wussten, dass wir mit der TwinCAT CNC die geforderte Genauigkeit von 2/10 mm in einem Bearbeitungsbereich von bis zu 1 m³ erreichen, die Stäubli-Roboter abdichten und mit Überdruck beaufschlagen können,“ betont Daniel Distler. Dieses Know-how stammt aus unterschiedlichen Projekten, bei denen z. B. Roboter komplett zerlegt und so abgedichtet wurden, dass sie selbst in Wassertiefen von bis zu 20 m noch zuverlässig funktionieren.
CNC-Roboter der nächsten Generation
Das Potenzial von Robotern in der Teilebearbeitung ist sehr groß, aber wo den Schwerpunkt legen? „Wir haben lange überlegt, wohin wir beim Roboterfräsen wollen und dann natürlich wie“, erklärt Daniel Distler. Ziel war nicht nur, die Qualität der Bearbeitung weiter zu steigern und auf ein neues Level zu heben. Zusätzlich darf sich für Anwender bei der Erstellung der Bearbeitungsprogramme nichts ändern. Bei Projektstart 2018 wurden in einem „Best of breed-Ansatz“ alle Bestandteile einer Bearbeitungszelle unter die Lupe genommen: Roboter, Drehtisch, Werkzeugwechsler, Frässpindel und natürlich die Steuerungstechnik. Andreas Bauer: „Aus unserer Expertise der letzten acht Jahre kennen wir die Stärken und Schwächen der verschiedenen Kinematiken und Konstruktionen genau.“ Dieses Know-how wurde genutzt, um zusammen mit einem Roboteranbieter eine Kinematik zu entwickeln, welche Steifigkeit, Staub-/Wasserdichtigkeit, Traglast und Reichweite steigert.
Das Ergebnis ist die aktuelle Konfiguration einer Bearbeitungszelle mit Highend-CNC-Roboter auf Basis einer neuen Kinematik. „Bei der neuen Generation setzt toolcraft zusätzlich zu TwinCAT CNC auch die Servoverstärker und Servomotoren von Beckhoff ein“, ergänzt Alexander Klos. Der Roboter wurde an allen Achsen mit doppelt gelagerten Getrieben und Encodern auf der An- und Abtriebsseite ausgerüstet. Zudem wurde die Spindelaufnahme modifiziert. Die steuerungstechnische Basis des Fräsroboters bildet der leistungsstarke Embedded-PC CX2040 in Kombination mit dem CNC-Multitouch-Control-Panel CP3921-1502-0010, welches über CP-Link 4 mit nur einer Ethernet-Leitung (CAT.6A) mit dem Embedded-PC verbunden ist. Die Servomotoren AM8000 und das Multiachs-Servosystem AX8000 sowie TwinCAT CNC runden das System ab. Weitere positive Nebeneffekte des neuen Aufbaus: Innenliegende Schlauchpakete vereinfachen das Handling. Zudem entfällt die separate Robotersteuerung, was Platz im Schaltschrank schafft und die Komplexität des Projekts reduziert.
Problemlose Umstellung der Antriebstechnik
„Obwohl toolcraft mit TwinCAT CNC und TwinCAT Robotics uniVAL PLC gestartet ist, war der Wechsel auf einen weiteren Robotertyp mit anderer Mechanik, Kinematik und unserer Antriebs- und Servoverstärkertechnik schnell möglich,“ stellt Alexander Klos zwei wichtige Eigenschaften von PC-based Control heraus: Offenheit und Flexibilität. Beispielsweise konnten die an- und abtriebsseitigen Encoder der Roboterachsen ohne Probleme in die Funktionsbausteine der Achsregler integriert werden. Und mit dem durchgängigen Beckhoff Portfolio, von der CNC über die Servoverstärker bis hin zu den Motoren, gewinnt toolcraft ganz andere Optimierungsmöglichkeiten. „Der direkte Zugriff auf alle Parameter und Prozesseinstellungen hat einen hohen Anteil an der nochmals verbesserten Präzision“, so Andreas Bauer. Beispielsweise wurde über die abtriebsseitigen Encoder und passende Regelalgorithmen die geringe, aber immer noch vorhandene Hysterese der Getriebe weiter kompensiert. Auch bei hohen Krafteinwirkungen, z. B. beim massiven Fräsen oder abhängig von der Position des Tool Center Points (TCP) im Arbeitsraum, werden die Achsen schnell und präzise nachgeführt. „Und die Integration von Mess- und Kalibrierzyklen sorgt für gleichbleibende Eigenschaften“, ergänzt Daniel Distler.
Flexibel bleibt toolcraft auch bei der Wahl der Feedbacksysteme und dem Einsatz anderer Technologien: Die Servoverstärker unterstützen viele Geberschnittstellen und über EtherCAT stehen zusätzliche Optionen zur Verfügung. „Wir denken immer voraus und überlegen, Kamerasysteme für die Erfassung und das automatische Einlegen der Bauteile zu integrieren“, so Andreas Bauer.
Postprozessoren und Koordinatentransformation inklusive
Eine funktionierende Prozesskette von der CAD-Zeichnung bis zum Bearbeitungsprogramm ist für Fertigungsbetriebe sehr wichtig. Dazu Daniel Distler: „Unser Ansatz ist, Anwendern die Angst vor der Bedienung und Programmierung der Roboter zu nehmen, gleichzeitig aber mehr Freiheitsgrade bei der Bearbeitung zur Verfügung zu stellen.“ Auch dabei hilft PC-based Control: Postprozessoren und die Koordinatentransformation laufen auf dem Embedded-PC parallel zur Bahnsteuerung des CNC-Roboters. Deshalb lassen sich die Bearbeitungsprogramme wie gewohnt in G-Code programmieren und aus den üblichen CAD/CAM-Programmen generieren. Daniel Distler erläutert hierzu: „Wir wollen, dass der Roboter mit der CAM-Software des Anwenders einwandfrei zusammenarbeitet.“ Mit PC-based Control steht toolcraft auch dafür eine flexible Steuerungsplattform zur Verfügung.