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17.04.2023

Modular zu maximal flexibler Robotik

Interview mit Dr. Guido Beckmann zu den Vorteilen des Industrieroboter-Baukastens ATRO

Das ATRO-System (Automation Technology for Robotics) von Beckhoff ist ein modularer Baukasten, mit dem individuell und flexibel optimale Roboterstrukturen für unterschiedliche Applikationen zusammengestellt werden können. Wie dies konkret realisiert wurde und welche Anwendervorteile daraus entstehen, erläutert Dr. Guido Beckmann, Senior Produktmanager ATRO, im folgenden Interview.

Die Motormodule bilden als aktive Bewegungselemente den Kern des ATRO-Systems. Was zeichnet sie im Detail aus?

Dr. Guido Beckmann: Richtig, die standardisierten Motormodule verfügen über eine integrierte Antriebsfunktionalität und sind damit letztendlich für die Bewegungen der Kinematik verantwortlich. Es gibt sie in unterschiedlichen Bauformen: gerade Module in I-Form oder abgewinkelte Module in L-Form, die in fünf Leistungsgrößen ausgeführt werden. Jede Größe kann wiederum mit unterschiedlichen Getriebeuntersetzungen konfiguriert werden. Diese dezentralen EtherCAT-Antriebsmodule stellen einen hochdynamischen Servoantrieb für jeweils eine Achse des Roboters dar, d.h. die gesamte Elektronik zur Regelung der Achsen ist in den Modulen verbaut: ein EtherCAT-basierter 48-V-Servoverstärker, der Motor mit Dual-Geber und Bremse sowie ein hochkompaktes Getriebe. Das spart Platz im Schaltschrank.

Dr. Guido Beckmann, Senior Produktmanager ATRO, Beckhoff Automation
Dr. Guido Beckmann, Senior Produktmanager ATRO, Beckhoff Automation

Welche Bedeutung haben die passiven Linkmodule?

Dr. Guido Beckmann: Erst zusammen mit diesen Verbindungsmodulen in unterschiedlichen Ausführungen und Längen ermöglichen die Motormodule dem Anwender die unzähligen Kombinationen des mechanischen Aufbaus und damit die Realisierung einer individuellen Roboterkonfiguration. Die Form und Länge der Linkmodule sind variabel, sodass die Reichweite einer Roboterkonfiguration angepasst oder mithilfe von T- oder X-Modulen auch eine MehrarmKinematik erstellt werden kann. Die Module dienen zudem zur mechanischen Anpassung der unterschiedlichen Motormodulgrößen, die in der Regel von den Hauptachsen zu den Handachsen kleiner werden. Elektrisch stellen die Linkmodule ebenfalls EtherCAT-Geräte dar, die von der Steuerung erkannt und ausgelesen werden können. Die gesamte Roboterstruktur lässt sich somit automatisch einscannen.

Bedeutet diese Modularität nicht auch größere Komplexität und mehr Aufwand?

Dr. Guido Beckmann: Nein, denn alle Module lassen sich einfach über das ATRO-Interface miteinander verbinden, das eine schraubbare und zugleich steife Verbindung garantiert. Die Module werden vom Anwender in wenigen Minuten zusammengeschraubt und bilden dabei selbst die mechanische Struktur der gewünschten Roboterkinematik. Auch große Roboter können von einer Person „Stück für Stück“ aufgebaut werden. Dabei wird nur ein Werkzeug zur Montage benötigt.

In der Robotik müssen auch verschiedene Medien mitgeführt werden. Wie ist das bei ATRO realisiert?

Dr. Guido Beckmann: In allen ATRO-Modulen werden verschiedene Medien innenliegend durchgeleitet: EtherCAT, eine Gigabit-Ethernet-Schnittstelle, Energie (230/480 V AC bzw. 600 V DC) und Fluide (Druckluft, Vakuum oder Wasser). Diese Medien werden im Basismodul eingespeist und dann durch die ATROKinematik durchgeleitet und können an den ATRO-Interfaces wieder ausgekoppelt und genutzt werden. So lassen sich z.B. beliebige Roboter-Tools am Endeffektor einbinden: elektrische oder pneumatische Greifer ebenso wie Vakuum-Greifer. Oder es wird eine Kamera über die Gigabit-Ethernet-Schnittstelle angebunden, die für die Prozessbeobachtung oder eine Objekterkennung genutzt wird. Herkömmliche Roboterlösungen führen solche Medien außen und sind daher in der Rotation und Nutzung des Arbeitsraums eingeschränkt. Diese Limitierung entfällt bei der Beckhoff-Lösung vollständig – alle Achsen sind endlos drehbar ausgeführt! Dies ermöglicht eine wesentlich bessere kartesische Erreichbarkeit sowie kurze Positionierungswege. Weiterhin werden Störkonturen z.B. aufgrund außen liegender Kabel, und Störmomente insbesondere bei CobotAnwendungen durch eine externe Medienführung vermieden.

Welche Vorteile bietet eine solche anpassungsfähige Robotik mit Blick auf die Nachhaltigkeit?

Dr. Guido Beckmann: Der nachhaltigste Aspekt ist, dass mit diesem neuen System nur so viele Achsen installiert werden, wie für die Anwendung wirklich notwendig sind. Denn nicht jede Applikation benötigt einen 6-Achs-seriellen Knickarm-Roboter. Palettieraufgaben können mit fünf Freiheitsgraden gelöst werden, Pick-and-Place-Aufgaben häufig auch mit vier Freiheitsgraden oder mithilfe einer 3-Achs-Delta-Kinematik. Im Jahr 2022 wurden ca. 200.000 6-achsige Roboter weltweit installiert. Wir gehen davon aus, dass ca. 40 % mit einem 5-achsigen System ausgekommen wären. Für eine reine Pick-and-PlaceAnwendung reicht das aus, teilweise werden sogar weniger Achsen benötigt. Damit hätten wir ca. 100.000 Achsen eingespart. Das wiederum würde 20.000 5-achsigen Robotern entsprechen.

Welche Effizienzsteigerungen sind mit ATRO aus Sicht der Steuerungstechnik möglich?

Dr. Guido Beckmann: Eine Hauptaufgabe bei der Roboterintegration besteht bisher darin, die Schnittstellen zwischen den Steuerungssystemen zu beherrschen. Das benötigt in der Regel sehr viel Aufwand (bis zu 80 % des Programmieraufwands), der nicht wertschöpfend ist. Im ATRO-System übernimmt eine PC-basierte Steuerung mit der Automatisierungssuite TwinCAT alle diese Aufgaben und hilft gleichzeitig, dass alle Prozesse synchronisiert zueinander arbeiten und die Daten allen Prozessen gleichzeitig zur Verfügung stehen. Dadurch werden auch komplexe Applikationen möglich: Die Kombination aus Liniensteuerung, Vision und Robotersteuerung kann für die Vereinzelung von Produkten in Sortierprozessen genutzt werden („Griff in die Kiste“). MachineLearning-Funktionalitäten in der Steuerung können bei der Optimierung von Bewegungen und der Pfadplanung helfen. Hierbei ist die einzigarte Möglichkeit der endlosen Rotation aller Achsen des ATRO-Systems die perfekte Basis, da sie Bewegungseinschränkungen vermeidet. Und letztendlich reduziert der Wegfall einer externen Robotersteuerung den Platzbedarf im Schaltschrank erheblich.

Ergeben sich für den Robotik-Anwender unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten weitere Vorteile?

Dr. Guido Beckmann: Der wirtschaftliche Hauptvorteil für den Anwender liegt darin, dass sich der Roboter erstmals aus der Anwendung ableitet und nicht wie bisher umgekehrt. Der Kunde kauft nur das, was er braucht, und nicht das, was auf dem Markt verfügbar ist. Mit unserem System können wir garantieren, dass der Kunde immer das effizienteste System, angepasst an die Anwendung, zusammenstellen kann. Die Verwendung der gleichen Motor- und Linkmodule in unterschiedlichen Zusammenstellungen verringert zudem die Varianz im Lager, reduziert dadurch Kosten und erhöht gleichzeitig die Flexibilität. Im Falle einer Störung können einzelne Module schnell ausgetauscht werden, anstelle wie bisher den ganzen Roboter durch einen bestellten Spezialisten warten zu lassen. Das reduziert MTTR-Zeiten (Mean Time To Repair) und erhöht somit die Verfügbarkeit der Maschine für die Applikation.