Integrierte Gebäudeautomation im Neubau der Universität Antwerpen ermöglicht optimale Energieeffizienz
Wenn man einem Team von angehenden Elektro- und Bauingenieuren die Freiheit lässt, den eigenen Neubau zu automatisieren, kann man eine innovative und technisch ausgefeilte Lösung erwarten. Mit dem Gebäude „Z“ ist die Universität Antwerpen auf dem Campus Groenenborger diesen Weg gegangen: Das Ergebnis ist ein Passivhaus mit intelligentem Gebäudemanagementsystem, das über eine ausgeklügelte HKL-Regelung verfügt. Ein Beckhoff Embedded-PC CX2020 übernimmt als zentrale Plattform die Regelung der rund 4.000 I/O-Punkte. Die Offenheit der PC-basierten Steuerungsarchitektur erlaubt darüber hinaus, dass die angehenden Ingenieure das Gebäude als „Real-Life-Lab“ nutzen.
Dem Thema Energie bzw. Nachhaltigkeit kommt in den Studiengängen Elektro-mechanik und Baukunde an der Universität Antwerpen ein hoher Stellenwert zu. So lag es nahe, dass die Fakultät für Angewandte Ingenieurwissenschaften beim Neubau des Gebäudes „Z“ ein innovatives, energieeffizientes Konzept umsetzte: Aufgrund seiner guten Wärmedämmung und des Einsatzes von Wärmetauschern zur Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten benötigt das als Passivhaus ausgeführte Gebäude keine klassische Gebäudeheizung. Ungewöhnlich ist dabei, dass die Gebäudetechnik weitgehend sichtbar verlegt wurde, so dass der Bau exemplarisch als Anschauungsobjekt und für Forschungsprojekte der Studierenden dienen kann.
Auch der mit der Umsetzung der Gebäudeautomation betraute Systemintegrator Fixsus wird die im Gebäude „Z“ gesammelten Daten für weitere Systemoptimierungen nutzen. „Beispielsweise um die Regelsysteme und Algorithmen der von uns entwickelten Software noch weiter zu verbessern“, wie Koen Verschuere, Geschäftsführer von Fixsus, erklärt. Hierfür werden alle Messwerte im Gebäude – und das sind mehr als 1.500 – über einen Zeitraum von zehn Jahren alle drei Sekunden erfasst.
Passivhaus-Prinzip plus integrierte Gebäudeautomation maximieren die Energieeinsparung
„Wir hatten schon in der Vergangenheit Forschungsprojekte zum Thema Klimatisierung, bei denen wir uns die Frage stellten, wie Komfort und Energieverbrauch effizient gegeneinander abgewogen werden können, wobei auch die Investitionskosten berücksichtigt wurden“, sagt Eddy Janssen, Dozent und Sprecher der Fachgruppe Energie an der Universität Antwerpen. „Wie sich aus zahlreichen Simulationen ergeben hat, ist das Konzept, jeden Raum separat, mit einem variablen Durchsatz in Abhängigkeit von den Messwerten, zu regeln, am besten geeignet.“ Im Gebäude „Z“ auf dem Campus Groenenborger, das im Juni 2016 eröffnet wurde, hat man dieses Prinzip nun in die Praxis umgesetzt; allerdings ist die realisierte Raumautomation wesentlich umfangreicher: Sie umfasst die Beleuchtung und den Sonnenschutz, das Öffnen der Fenster sowie die Belüftung, die Heizung und die Kühlung. Auch die natürliche Kühlung durch das Öffnen der Fenster und die Wärmespeicherung gehören zum Funktionsumfang.
„Beim Passivhaus-Prinzip kommt es entscheidend auf die Regelung an“, fügt Prof. Ivan Verhaert hinzu. „Wenn man beispielsweise so weit wie möglich die natürliche Kühlung durch Öffnen der Fenster nutzen möchte, muss in extremen Fällen ein erhöhter Luftdurchsatz abgesaugt werden, während die Impulsventilatoren abgeschaltet werden. Bei der Heizung werden interne Wärmegewinne in einem Raum maximal ausgenutzt, indem die Regelung diese vorausberechnet.“
Die Tatsache, dass das Gebäude eine Menge an Kühl- und Heiztechnik enthält, macht die Regelung noch komplizierter. Neben zwei klassischen Gasheizkesseln zum Auffangen der Spitzen, kann das System auf eine Wärmepumpe mit sechs Kreisen, eine Gasabsorptionswärmepumpe, einen Pufferspeicher, ein Erdwärmesondenfeld und einen Trockenkühler zurückgreifen. Eddy Janssen verweist in diesem Zusammenhang auf die sogenannte „Abfallhierarchie“, ein Prinzip, das beim nachhaltigen Abfallmanagement angewandt wird. Dabei steht die Vermeidung an erster Stelle, gefolgt von der Wiederverwendung, dem Recycling und im letzten Schritt der Verbrennung. Bezogen auf die Kühlung eines Gebäudes bedeutet dies: Zunächst beugt man dem Aufheizen des Gebäudes durch Sonnenschutz und sparsame Beleuchtung vor; dann nutzt man z. B. die kühlere Nachtluft zur Kühlung; als nächster Schritt folgt die Wärmerückgewinnung usw.
Individuelle Raumsteuerung sorgt für hohes Komfortniveau
Als zentrale Intelligenz der Gebäudeautomation dient ein Beckhoff Embedded-PC CX2020. „In der Philosophie von Fixsus gibt es den Begriff der dezentralen Intelligenz überhaupt nicht mehr. Das heißt, die gesamte Systemlogik wird in der zentralen Steuerung gebündelt. Die CPU ist über EtherCAT mit 89 dezentralen I/O-Stationen – einer pro Raum – mit in Summe über 700 I/O-Modulen verbunden“, erläutert Tim Verheyden. Die Anzahl der Messungen ist jedoch wesentlich größer: Pro Raum werden verschiedene Messwerte, wie die Temperatur, die relative Feuchte, der CO2-Gehalt, die Konzentration an flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), der CO-Wert, die Lichtintensität und auch die Intensität der Infrarotstrahlung, erfasst. Die Messung letzterer versetzt das System sogar in die Lage, die gefühlte Raumtemperatur zu berechnen − eine wichtige Größe, um die angemessene Regelung für ein hohes Komfortniveau zu erreichen.
Alle für die Klimatisierung des Raumes erforderlichen Messwerte werden in dem von Fixsus entwickelten TP10-Modul zusammengeführt. Das kompakte Gerät in der Größe eines Lichtschalters enthält zehn Sensortasten, die vom Benutzer frei programmiert werden können. „Der TP10 wird mit einem digitalen Eingang und einem digitalen Ausgang der SPS verbunden. Alle 0,2 Sekunden kann darüber ein Wert aus den 512 Registern des TP10 abgefragt werden. Dafür braucht man schnelle I/Os − aber das ist bei Beckhoff selbstverständlich kein Problem“, erläutert Koen Verschuere. „Sollte ein Gerät ausfallen, kann es ohne Probleme ausgetauscht werden, ohne dass bei der Programmierung oder Konfiguration etwas angepasst werden müsste.“
Maximale Flexibilität und Systemoffenheit
„In der Gebäudeautomatisierung kommen vielfach noch geschlossene Systeme zum Einsatz, was vor allem dann zu Problemen führt, wenn Komponenten ersetzt werden müssen“, sagt Johny Vangeel, Business Manager Building Automation Infra-Energy bei Beckhoff. „Mit dem Gebäudeautomationssystem von Beckhoff können wir Komponenten tauschen oder ergänzen während die Anwendung in Betrieb bleibt. Dass die gesamte Logik in der SPS sitzt, verleiht dem System eine maximale Flexibilität bei Anpassungen und Erweiterungen in der Peripherie. − Ein typisches Problem bei klassischen Gebäudemanagementsystemen besteht zum Beispiel darin, dass die Software zur Überwachung und Datenverwaltung auf einem separaten PC läuft. Früher oder später kommt es dann zu Konflikten zwischen Hard- und Softwarekomponenten, wenn beispielsweise neuere Versionen nicht mehr mit den alten Systemen kommunizieren. Mit der PC-basierten Steuerung von Beckhoff erfolgt dies alles auf ein und derselben CPU, wobei neue Entwicklungen bei der Hardware ohne Einfluss auf die Software sind.“
Ein Vorteil des offenen Systems besteht auch darin, dass die Benutzer die Software selbst anpassen können. Ein herkömmlicher Facility Manager wird sich hierfür an den Systemintegrator wenden, der das System geliefert hat. Wenn aber die Benutzer Professoren und Studenten sind, die sich auf Klimatisierung und Gebäudemanagement spezialisiert haben, sieht das ganz anders aus. In der Ingenieursausbildung der Universität Antwerpen werden jetzt regelmäßig Projekte geplant, bei denen Messwerte aus dem eigenen Gebäude verwendet werden oder bei denen man neue Algorithmen auf der Steuerung ausprobiert. Jeder Regelkreis im System kann hierfür überbrückt und durch eine manuelle Bedienung oder einen neuen Softwarebaustein ersetzt werden. Die vollständige Steuerung des Gebäudes ist auf einer Speicherkarte gespeichert, so dass es ausreicht, diese im Anschluss auszutauschen, um den Originalzustand wieder herzustellen.
„Es wird viel über Nachhaltigkeit beim Gebäudemanagement geredet, aber ein Aspekt, der häufig vergessen wird, besteht darin, dass ein System erst dann nachhaltig ist, wenn es nachvollziehbar und im großen Maßstab einsetzbar ist“, stellt Eddy Janssen fest. „Ein System muss auch mit neuen Anforderungen und Erkenntnissen mitwachsen können. Dies ist für uns ein wichtiges Kriterium und war ausschlaggebend bei unserer Entscheidung für die PC-basierte Automatisierungslösung mit Fixsus.“