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10.05.2023

XPlanar steigert Test-Kapazität und Durchsatz enorm

Flexible Endkontrolle in der Klemmen-Fertigung von Beckhoff

Im Herbst 2021 begannen bei Beckhoff die ersten Überlegungen, die Endkontrolle der I/O-Komponenten komplett neu zu denken. Das Ziel: Prüfkapazität und Durchsatz deutlich steigern – trotz der vielen Klemmenvarianten. Die komplett vom eigenen Betriebsmittelbau realisierte Anlage kann pro Schicht rund 10.000 Klemmen vollautomatisch programmieren, abgleichen und testen. Verantwortlich für die hohe Geschwindigkeit und die Flexibilität sind neben dem ausgeklügelten Anlagenkonzept das intelligente Transportsystem XPlanar, PC-based Control und die breite Palette an EtherCAT-Klemmen.

„Schritt halten mit dem Wachstum, das Beckhoff Jahr für Jahr erzielt.“ Das war und ist immer wieder eine Herausforderung für Michael Golz, Leiter der Abteilung Demo-Systems und seine rund 40 Mitarbeiter, die u.a. für den Bau der Betriebsmittel zuständig sind. Bei der Anlage für die Endkontrolle der I/O-Klemmen haben sie einen komplett neuen Weg eingeschlagen – mit XPlanar als Transportsystem, speziell entwickelten Firmware-Programmierern und Prüfstationen mit universellen Testschränken. „Im Schnitt verlässt alle 3 s eine mit der passenden Firmware programmierte und komplett getestete I/O-Klemme die Anlage“, betont Michael Golz, „egal welcher Typ und in welcher Sortierung die Klemmen angeliefert werden.“ Aktuell können auf der Anlage über 200 verschiedene Klemmenvarianten programmiert und getestet werden. Auch die Anzahl unterschiedlicher Typen in der Anlage hat keinen Einfluss auf die Ausbringungsleistung von 10.000 Klemmen je Schicht.

Die Programmier- und Testzeiten einer I/O-Klemme haben sich nicht verändert, der Durchsatz jedoch massiv: Etwa alle 3 s verlässt eine programmierte und umfassend getestete Klemme die Anlage.
Die Programmier- und Testzeiten einer I/O-Klemme haben sich nicht verändert, der Durchsatz jedoch massiv: Etwa alle 3 s verlässt eine programmierte und umfassend getestete Klemme die Anlage.

Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Denn je nach Klemmenvariante – mit/ohne FPGA, einem Controller oder mit analogen Kanälen – dauern das Programmieren und der anschließende Funktionstest unterschiedlich lang. „Das können durchaus auch mal 30 s sein, bis eine Firmware aufgespielt ist und alle Analogkanäle abgeglichen sind“, erklärt Stefan Engelke, der mit seinem Team die Testschränke entwickelt und programmiert hat. Die Lösung des Zeitproblems liegt in der Parallelisierung und Trennung von Aufspielen der Firmware einerseits und den Funktionstests andererseits. An sich keine bahnbrechende Idee, sehr wohl aber die konsequente Nutzung der Freiheitsgrade von XPlanar für die gesamte interne Logistik und Zuführung der Klemmen zu den Arbeitsstationen. Durch die freie 2D-Bewegung der Produkte ist es unerheblich, ob eine einzelne Busklemme 10 s oder eine 1 min in einem Tester braucht. Die übrigen Mover fahren einfach an den belegten Stationen vorbei zur nächsten freien Station. Der Gesamtausstoß der Anlage bleibt daher von einzelnen Verzögerungen unberührt.

Einfaches, flexibles und transparentes Handling

„Der Ablauf ist dennoch denkbar einfach“, so Michael Golz, „der Bediener muss nichts einstellen, nur einen Stapel Trays mit Klemmen an der Zuführstation auflegen und einen Taster drücken.“ Danach läuft der Stapel in die Pickstation ein, wo ein Deltaroboter die Module aus den Trays greift und einzeln auf die bereitstehenden XPlanar-Mover legt. Die Anlage hat zwei Hauptstraßen, quasi Autobahnen, die links und rechts zu den Programmier- und Teststationen führen. Die Stationen befinden sich an Ausfahrten bzw. Parkbuchten seitlich an beiden Fahrbahnen. Dazwischen befindet sich eine dritte Straße, auf der alle Mover zurück zum Picker fahren. Dieser symmetrische Aufbau hat den Vorteil, dass selbst bei Ausfall einer kompletten Anlagenhälfte die andere Seite weiterarbeiten kann.

Die Mover bringen die Klemmen unter einer Lesestation hindurch zu den längsseits angeordneten Programmierstationen. Die Lesestation erfasst über mehrere Kameras und Beckhoff Vision den individuellen Beckhoff Identification Code (BIC) jeder Klemme. „Danach kennt die Anlage den Klemmentyp und erledigt alles komplett eigenständig − Programmierung, ggf. Abgleich der analogen Kanäle und Funktionstest“, ergänzt Ulrich Brockhaus, verantwortlich für die Anlagenprogrammierung. Gleichzeitig wird der BIC mit dem Mover über dessen ID „verheiratet“. So lässt sich über die Mover-ID auch nach einem Energieausfall nachvollziehen, wo sich jeder einzelne Mover bzw. jede Klemme befindet. Wenn der Mover eine freie Programmierstation erreicht hat, positioniert er die Klemme exakt unter deren Kontaktnadeln. Danach wird abhängig vom BIC die entsprechende Firmware auf die Klemme geladen.

Anschließend geht es weiter zu einer der universellen Teststationen, die wiederum anhand des BIC die gerätespezifische Testsequenz aufruft. Ist die Software korrekt geladen und der Funktionstest einwandfrei, transportiert der Mover die Klemme über die mittlere Spur zum zweiten Deltaroboter der Pickstation, der die Klemme auf ein weiteres Tray ablegt. Dabei durchfährt der Mover die Lesestation ein zweites Mal, nur dieses Mal in umgekehrter Richtung. „Über das erneute Erfassen des BIC auf der Rückspur wird die Klemme ausgebucht und das Aufspielen der Firmware und die Funktionsprüfung jeder einzelnen Klemme in der zentralen Datenbank dokumentiert, bei Analogklemmen einschließlich aller Abgleichwerte“, präzisiert Stefan Engelke.

Die Brücke mit den Vision Systemen über den drei Fahrspuren erfasst beim Durchfahren den Datamatrix-Code jeder Klemme, der dann mit der ID des XPlanar-Movers „verheiratet“ wird.
Die Brücke mit den Vision Systemen über den drei Fahrspuren erfasst beim Durchfahren den Datamatrix-Code jeder Klemme, der dann mit der ID des XPlanar-Movers „verheiratet“ wird.

Alle Freiheitsgrade von XPlanar genutzt

Grundlage für diesen flexiblen und dennoch schnellen Ablauf bildet ein XPlanarSystem aus 100 Kacheln. „Die beiden Hauptstraßen mit zwei Hinstrecken und der dazwischenliegenden Rückspur haben wir aus sechs XPlanar-Basis-Sets mit jeweils 3 x 4 Kacheln aufgebaut“, so Michael Golz. Für die Anbauten (Programmierer und Tester) sind seitlich die restlichen 28 Kacheln an das Grundsystem angeschraubt. Jeder Anbauplatz hat ein standardisiertes Interface mit Spannungsversorgung (400 V AC), Safety, Ethernet (LAN) sowie EtherCAT. „Das Interface und das Anlagenlayout ermöglichen künftige Erweiterungen ohne große Umbaumaßnahmen“, betont Daniel Golz, der für die mechanische Konstruktion der Anlage und die speziellen Details der Klemmen-Kontaktierung zuständig ist.

XPlanar ermöglicht aber nicht nur die Modularität der Maschine, sondern verringert auch in vielen Bereichen die mechanische Komplexität. Beispielsweise wird bei den Programmierstationen die XY-Feinpositionierung von XPlanar genutzt. Daher können die Programmierer unmittelbar nach Erreichen der exakten Position ihre Nadeln auf die Klemmenkontakte absenken und mit dem Aufspielen der Firmware beginnen.

Bei den Teststationen reduziert ein weiteres Feature von XPlanar den konstruktiven Aufwand: die variable Flughöhe. An der Prüfstation angekommen, wird der Mover zuerst angehoben, damit der Einschub der Prüfstation unter die Klemme fahren kann. Danach senkt der Mover seine Flughöhe wieder ab, die Klemme liegt dann auf dem Einschub und wird in den Tester eingezogen. Der Vorteil: Sämtliche Kontakte sind frei zugänglich und kontaktierbar. Nach dem Test wird die Klemme dann wieder in umgekehrter Reihenfolge auf dem Mover abgelegt. Die Möglichkeit, die Mover rotieren zu lassen, kommt wiederum beim Ein- und Ausfahren zum Tragen. Mit ihr werden die Mover abhängig von der benutzten Anlagenseite um 180° gedreht. „Auch diese Funktion hat den mechanischen Aufwand erheblich reduziert und die platzsparende Anordnung von Tester und Programmierer auf beiden Seiten erst ermöglicht“, stellt Daniel Golz heraus.

Insgesamt profitiert das Anlagenlayout von vier XPlanar-Eigenschaften:

  • Die 2D-Produktbewegungen entkoppeln den Transport der Klemmen und ermöglichen eine parallele Bearbeitung in den Programmier- und Teststationen.
  • Die XY-Feinpositionierung erspart ein Handling-System bei den Programmierstationen.
  • Die Übergabe der Busklemme mithilfe der Z-Bewegung (Heben/Senken) ersetzt eine aufwendige mechanische Konstruktion in den Teststationen.
  • Die 360° Rotation ermöglicht den spiegelsymmetrischen Aufbau der Anlage.

Elektrische und optische Funktionen unter der Lupe

Die Teststationen kontrollieren nicht nur die elektrischen Eigenschaften und Funktionen einer Klemme. „Bei Klemmen mit analogen Signalen kommen noch die entsprechenden Testsequenzen und Kalibrierungen dazu“, so Stefan Engelke. Über ein integriertes Vision-System werden auch die Anwesenheit und korrekte Position des Prismas kontrolliert sowie die Farben und Intensität der LED gemessen.

So eine komplexe Anlage lässt sich nur im Team konzipieren und realisieren (Beckhoff-Experten v. l. n. r.): Daniel Golz (Konstruktion Mechanik), Mathis Blattner (Softwareentwicklung Prüfschränke), Ulrich Brockhaus (Anlagenprogrammierung), Stefan Engelke (Entwicklung Testvorrichtung) und Michael Golz (Abteilungsleiter Demo-Systems).
So eine komplexe Anlage lässt sich nur im Team konzipieren und realisieren (Beckhoff-Experten v. l. n. r.): Daniel Golz (Konstruktion Mechanik), Mathis Blattner (Softwareentwicklung Prüfschränke), Ulrich Brockhaus (Anlagenprogrammierung), Stefan Engelke (Entwicklung Testvorrichtung) und Michael Golz (Abteilungsleiter Demo-Systems).

Dass auf der Anlage die unterschiedlichsten EtherCAT-Klemmen mit ihren vielfältigen Funktionen und Messbereichen vollautomatisch getestet werden können, liegt am Universal-Testschrank. Dessen komplette Mess- und Prüftechnik basiert auf Beckhoff-Technik, mit Schwerpunkt auf den präzisen Messtechnikklemmen der ELM-Serie. In fahrbaren Schränken montiert und über einen Steckverbinder mit der Anlage gekoppelt, lassen sich die Testschränke schnell und ohne Stillstand der kompletten Anlage austauschen. Das ist regelmäßig notwendig, da die ELM-Klemmen als Messmittel zyklisch rekalibriert und zertifiziert werden müssen.

Die Stärken von PC-based Control zeigen sich auch bei der übergreifenden Koordination und Auswertung: Erkennt ein Tester eine Unstimmigkeit an einer Klemme, wird das zum einen über den BIC registriert, andererseits schickt der Tester die Klemme zur erneuten Konfiguration zurück zu den Programmierstationen. Häufen sich die Fehlermeldungen an einem Programmierer oder Tester, deutet das auf eine Störung hin. „In diesem Fall wird der Tester dem System als nicht verfügbar gemeldet und diese Position wird von den Movern so lange nicht mehr angefahren, bis der Tester überprüft und ggf. gewechselt wurde“, so Ulrich Brockhaus. Die Anlage läuft dann zwar kurzzeitig mit einer Station weniger, aber sie läuft und das nicht wesentlich langsamer. „Bei uns verlässt keine I/O-Klemme die Anlage, die beim Kunden irgendwelche Probleme verursachen könnte“, ergänzt Michael Golz.

Die Anlage ist ein Paradebeispiel dafür, wie mit PC-based Control die unterschiedlichsten Aufgaben und Funktionen umgesetzt werden können. Neben einem Schaltschrank-Industrie-Server C6670, der die 33 Mover auf den 100 Kacheln koordiniert, steuern insgesamt zehn Ultra-Kompakt-Industrie-PCs C6032 die anderen Anlagenteile. Die Deltaroboter sind mit dem MultiachsServosystem AX8000 und Servomotoren AM8000 automatisiert. „Für das Einund Ausschleusen der Trays nutzen wir die integrierten Servoantriebe AMI8100, weil diese äußerst kompakt bauen und für den Betrieb nur EtherCAT und 48 V Spannung benötigen“, so Ulrich Brockhaus. Bei den Programmierern kommen Linearaktuatoren AA1000 zum Einsatz, um die Klemmen zu kontaktieren; bei den Testern zusätzlich Elektrozylinder AA3000 für den Einzug der Klemmenträger. Die Sicherheitstechnik ist komplett mit TwinSAFE realisiert. Die DataMatrix-Codes erfasst TwinCAT Vision. In den vier Prüfschränken sind jeweils rund 40 EtherCAT-Messtechnikklemmen der ELM-Serie verbaut. Hinzu kommt eine breite Palette an EtherCAT-Klemmen der EL-Reihe. Michael Golz: „PC-based Control hat uns bei dem Projekt vieles erleichtert und lässt uns die Option für weitere Ausbaustufen.“

Michael Klasmeier, Leiter I/O-Produktion bei Beckhoff, ergänzt abschließend: „Unser I/O-Klemmen-Portfolio umfasst von der 2-kanaligen digitalen Eingangsklemme bis hin zur kompakten Antriebstechnik eine Vielzahl von Produkten – mit ganz unterschiedlicher Komplexität und Jahresstückzahlen von wenigen 1.000 bis 100.000 Stück. Alle Produkte werden zentral in Verl, Ostwestfalen, gefertigt. Unser Ziel ist es, mit den aktuellen Mitarbeitern und dem verfügbaren Platz deutlich mehr zu produzieren – das ist ohne automatisierten Test nicht möglich.“

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