Ein Jahr COVID-19-Maßnahmen in Deutschland – Frederike Beckhoff im Interview
Bereits vor etwas über einem Jahr starteten bei uns, in der Unternehmenszentrale in Verl, die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Unternehmens und aller Mitarbeiter vor dem Coronavirus. Damit konnten wir zu jeder Zeit unsere Funktions- und Lieferfähigkeit erhalten und werden auch in Zukunft jeden Kunden mit benötigten Komponenten beliefern können. Das Unternehmen kommt stabil durch die globale Krise und freut sich über eine positive Geschäftsentwicklung. Derzeit bauen wir Produktions- und Lieferkapazitäten weiter aus, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Frederike Beckhoff kümmert sich seit Beginn der Pandemie gemeinsam mit dem Coronavirus-Actions-Team um alle COVID-19-relevanten Themen für Beckhoff. Wir haben mit ihr zurückgeschaut auf ein Jahr Ausnahmezustand sowie Erkenntnisse, die uns die Pandemie als Unternehmen gelehrt hat.
Warum konnte Beckhoff aus heutiger Sicht so schnell seinen Betrieb umstellen und weitreichende Sicherheitsmaßnahmen ergreifen?
Wir haben bereits sehr früh, im Januar 2020 das sogenannte Coronavirus-Actions-Team ins Leben gerufen. Ausschlaggebend hierfür waren zu der Zeit die teilweise sehr dramatischen Entwicklungen in Italien, dann in den Skigebieten in Österreich und auch die Erfahrungsberichte unserer chinesischen Kollegen. Beckhoff hat eine Niederlassung in der chinesischen Stadt Wuhan, wo Ende 2019, Anfang 2020 die ersten massiven Ausbrüche von COVID-19 registriert wurden und sich dann in ganz China ausbreiteten. Schnell wurde uns klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis das Coronavirus zu einer weltweiten Angelegenheit und auch in Deutschland ankommen wird. Wir haben deshalb frühzeitig beschlossen, für das Unternehmen und unsere Kollegen Maßnahmen zu ergreifen, um sowohl die Menschen selbst zu schützen als auch unseren fortlaufenden Betrieb aufrechtzuerhalten.
Was genau machen die Pandemiebeauftragten im sogenannten Coronavirus-Actions-Team bei Beckhoff?
Die Arbeitsgruppe, der ich gemeinsam mit meinem Vater Hans Beckhoff, vorstehe, setzt sich aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens zusammen: neben der Geschäftsführung sind Kollegen aus den Abteilungen Personal, IT, Internationaler Vertrieb und Arbeitsschutz vertreten. Seit knapp einem Jahr treffen wir uns regelmäßig in Teams-Meetings, um alle neuen Entwicklungen rund um das Thema Coronavirus zu evaluieren und entsprechend vorausschauend unsere Maßnahmen anzupassen und auszurichten. Meine Aufgabe ist es, alle Entwicklungen und neue Anforderungen im Blick zu behalten, über das gesamte Unternehmen hinweg zu koordinieren und letztendlich, gemeinsam mit unserer Arbeitsgruppe, die finalen Entscheidungen bezüglich sämtlicher Maßnahmen zu treffen.
Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Seit inzwischen über einem Jahr bündelt und beobachtet das Team das weltweite Pandemiegeschehen. Wir analysieren die Fallzahlenentwicklungen sowie Berichte und Strategiepapiere des Robert-Koch-Instituts, das in Deutschland als selbstständige Bundesbehörde das Auftreten von Krankheiten und relevanten Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung beobachtet. Daraus adaptieren wir die notwendigen und relevanten Schutzmaßnahmen für unser Unternehmen, entscheiden beispielsweise über unternehmenseigene Quarantänepläne, und kümmern uns mit den jeweiligen Abteilungen um alle damit einhergehenden Anpassungen unserer internen Abläufe.
Ein eigenes kleines Kernteam, setzt sich mit sämtlichen Reisevorschriften auseinander. Durch kontinuierliche Testungen in unserem eigenen Coronavirus-Testzentrum probieren wir Infektionen frühzeitig zu erkennen und eine weitere Ausbreitung zu unterbinden. Jeden Fall, den unsere Kollegen melden, beurteilen wir einzeln und entscheiden daraufhin, welche Maßnahmen wir ergreifen. Hier geht es darum, die Balance zwischen der Gesundheit, der Funktionsfähigkeit des Unternehmens und der Belastungen des einzelnen Kollegen zu wahren.
Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Wir haben immer wieder Kollegen, die sich in Quarantäne – entweder von offizieller Stelle oder von uns als Vorsichtsmaßnahme angeordnet – befinden und somit ausfallen. Hier suchen wir nach Lösungen, wie wir optimal mit solchen Engpässen umgehen können. Das tückische an der Pandemie ist ja nach wie vor, dass wir ihr Ende nicht vorhersehen können und jeden Tag mit neuen Wendungen konfrontiert werden.
Das sind sehr aufwendige Aktionen. Warum sind sie notwendig?
Unser wichtigstes Anliegen ist, die Gesundheit jedes einzelnen Kollegen gewährleisten zu können. Gleichermaßen müssen wir sicherstellen, dass wir durchgängig als Unternehmen funktionsfähig bleiben und somit unsere Kunden zufrieden und alle Arbeitsplätze bei uns sicher sind. An dieser Stelle können wir berichten, dass unsere Produktionen durchweg voll funktionsfähig geblieben sind. Unsere Lieferfähigkeit wurde durch Homeoffice und die entzerrte Produktion, welche wir noch vor dem ersten bundesweiten Lockdown im März 2020 eingeführt haben, nicht beeinträchtigt. Wir konnten alle Kunden wie gewohnt beliefern. Zudem zeichnet sich aktuell eine sehr positive Geschäftsentwicklung ab, was ein gutes Zeichen für uns alle ist. Jetzt ist es unsere Aufgabe, als Unternehmen, die Produktivität nochmal zu erhöhen und dabei weiterhin die Sicherheit aller Kollegen zu gewährleisten. In diesem Zuge evaluieren wir auch aktuell neue, effizientere Schutzmaßnahmen für unsere Kollegen, insbesondere in den Produktionsbereichen.
Welche Maßnahmen wurden im vergangenen Jahr konkret vom Coronavirus-Actions-Team für Beckhoff in Verl erlassen?
Zu unseren ersten Schutzmaßnahmen – da war das Coronavirus in Deutschland noch gar nicht richtig angekommen – gehörte die Einschränkung von Reisen nach China und Kundenbesuchen aus China und dann natürlich die Einführung verschiedenster Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Es folgten weitere Einschränkungen für Dienstreisen und externe Beckhoff-Besuche. Zu den großen organisatorischen Maßnahmen gehörte primär die Einführung des Schichtbetriebs in unseren Produktionen sowie die Homeoffice-Regelung für 80 Prozent unserer Büroarbeitsplätze, um räumlichen und zeitlichen Abstand zwischen die Kollegen zu bringen. Beide Maßnahmen laufen bereits seit März 2020. Grundsätzlich achten wir darauf, dass die geforderten 1,5 Meter Mindestabstand in allen Betriebsbereichen eingehalten werden. Dies reduziert Übertragungswege und somit Infektionen. Eine technische Maßnahme sind zusätzliche Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen oder das verstärkte Lüften über die raumlufttechnischen Anlagen, die den geforderten Luftaustausch in den Produktionshallen und somit stets saubere Frischluft sicherstellen. Darüber hinaus haben wir sehr früh mithilfe unserer chinesischen Kollegen Schutzmasken beschafft, sie allen Mitarbeitern weltweit bereitgestellt und die Tragepflicht eingeführt. Zu dem Zeitpunkt herrschte fast überall noch eine große Knappheit an Masken. In Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln wurde man damals mit Maske noch mit großen Augen angeschaut.
Unterscheiden sich die Maßnahmen in Verl zu denen in anderen Niederlassungen?
Ja, definitiv. Das liegt daran, dass alle unsere ausländischen Tochterfirmen reine Vertriebsniederlassungen sind. Hier gibt es fast ausschließlich Büroarbeitsplätze. Die Kollegen können ihre Tätigkeiten, bis auf wenige Ausnahmen, aus dem Homeoffice ausführen. In Verl und Umgebung ist das anders, hier befinden sich unsere Produktionsstandorte, in denen unsere Kollegen vor Ort gebraucht werden. Generell ist es aber so, dass in all unseren Niederlassungen Maßnahmen ergriffen worden sind. Natürlich muss jedes Land die Maßnahmen etwas anpassen, da die Epidemielage überall etwas anders ist und damit auch die gesetzlichen Vorschriften unterschiedlich ausfallen.
Heute gibt es viele Standards im Umgang mit dem Virus, aber auf welcher Basis hat das Coronavirus-Actions-Team im Frühjahr 2020 angefangen, Regeln für das Unternehmen aufzustellen?
Gerade am Anfang der Pandemie gab es in Deutschland nur sehr wenige Standards bzw. Empfehlungen. Insbesondere an konkreten Vorgaben hat es gefehlt. Das ist jetzt teilweise besser geworden. Vor allem zu Beginn der Pandemie haben wir viele Impulse von unseren Kollegen aus China bekommen und daraus gelernt: seien es die Masken oder die Trennwände in den Büros. Es war spannend zu beobachten, wie diese Maßnahmen teilweise Wochen später von der Politik diskutiert und eingeführt wurden. Da hatten wir schon einen Vorsprung.
Wird das Sicherheitskonzept noch weiterentwickelt?
Solange das Virus besteht und sich sogar weitere Mutationen zu bilden scheinen, wird das Konzept nie ganz fertig sein. Wir sind es allen Kollegen und dem Unternehmen schuldig, hier stets up-to-date zu bleiben und wenn nötig, Anpassungen bzw. Verbesserungen vorzunehmen. Erst, wenn das Virus besiegt ist bzw. ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, dürfen wir darüber nachdenken, uns etwas zurückzulehnen. Ich hoffe inständig, dass der Tag, an dem wir das Sicherheitskonzept rund um COVID-19 nicht mehr weiterentwickeln müssen, lieber früher als später kommt.
Was kosten die Schutzmaßnahmen das Unternehmen?
Hier kommt schnell ein Betrag von mehreren Millionen Euro zusammen, der sich unter anderem aus der gesamten Materialbeschaffung von Masken, Tests, Trennwänden, IT-Ausstattung, etc., der Arbeitszeit der Kollegen, die sich seit einem Jahr zu 100 Prozent mit dem Thema beschäftigen, und insbesondere natürlich dem Arbeitsausfall der Kollegen, die wir zur Sicherheit in eine unternehmensseitig angeordnete Quarantäne schicken, zusammensetzt.
Wenn große Teile der Bevölkerung geimpft sind, wird es bei Beckhoff eine Rückkehr zum Normalbetrieb geben oder bleibt ein Teil der Maßnahmen bestehen?
Natürlich wollen wir so schnell es geht zum Normalbetrieb zurückkehren. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt. Hier müssen verschiedenste Faktoren immer wieder aufs Neue berücksichtigt und beurteilt werden. Eine konkrete Aussage über die Zukunft lässt sich leider jetzt auch noch nicht treffen, da die Lage sich immer wieder kurzfristig ändern kann, das haben wir in der Vergangenheit ja alle selbst erlebt. Wir werden aber natürlich auch evaluieren, welche positiven Dinge wir in der Coronakrise gelernt haben und welche Maßnahmen wir beibehalten könnten, beispielweise das Konzept der digitalen Meetings oder Ideen zum Homeoffice.