Mit erweiterter Automatisierungsarchitektur und neuer Datenkommunikation effizient digitalisieren
Auch die Prozessindustrie muss zunehmend dem Trend der Digitalisierung gerecht werden, wobei die meist weit verteilten verfahrenstechnischen Anlagen besondere Anforderungen stellen. Um entsprechende Lösungen dennoch zeitnah und effizient umzusetzen, kann zum einen auf die NAMUR Open Architecture (NOA) und zum anderen auf die neue Kommunikationstechnologie Ethernet-APL gesetzt werden. Mit dem Beckhoff NOA Edge Device und der EtherCAT-Klemme ELX6233 lässt sich dies bereits heute mit der bestehenden Steuerungstechnik realisieren.
Konzepte wie Industrie 4.0 und Internet of Things basieren darauf, sämtliche Betriebsdaten einer Anlage zu sammeln und für verschiedene Anwendungen zugänglich zu machen. Diese Daten werden in Analysetools ausgewertet, um z. B. Ausfälle von Feldgeräten frühzeitig zu erkennen. Außerdem lassen sie sich zur Prozessoptimierung und Produktivitätssteigerung nutzen. Besonders in bestehenden Anlagen stellt die Umsetzung von IoT-Konzepten jedoch eine Herausforderung dar, da die nötigen Informationen aus den Feldgeräten in der vorhandenen Automatisierungsarchitektur nicht erfasst werden.
Die NAMUR hat deshalb die NAMUR Open Architecture (NOA) entwickelt. Das Konzept verfolgt den Ansatz, die Automatisierungsarchitektur zu erweitern, ohne dabei die bestehende Steuerung zu verändern. Die Kernaufgabe von NOA besteht daher in der Bereitstellung von Informationen aus der Feldebene an übergeordnete Anwendungen, um die Anlage zu überwachen und zu optimieren (M+O). Die Herausforderung liegt darin, dass sich die Schnittstellen der Feldgeräte nach Hersteller und Typ unterscheiden. Der Fokus wird hierbei auf zyklisch auszulesende Parameter, die Informationen zu Gerätezustand oder Prozessqualität beinhalten, gelegt.
Edge Device für NOA
Für das Auslesen der zusätzlichen Betriebsdaten für das übergeordnete M+O hat Beckhoff ein NOA Edge Device entwickelt. Dieses besteht aus einem kompaktem Embedded-PC, EtherCAT-Klemmen mit HART-Funktionalität sowie einem entsprechenden TwinCAT-Projekt und kann direkt in der Anlage oder in der Leitwarte platziert werden. Feldgeräte werden über einen zweiten Kanal, umgesetzt durch einen Signaltrenner, an das Edge Device angebunden. Mithilfe des HART-Protokolls können notwendige Befehle an das Feldgerät gesendet und die zusätzlichen Daten ausgelesen werden. Diese werden innerhalb des Edge Device konvertiert, übersetzt und strukturiert. Anschließend wird ein auf dem OPC UA Server hinterlegtes Informationsmodell gefüllt. Dieses Modell richtet sich typischerweise nach dem PA-DIM, kann aber auch kundenspezifisch angepasst werden.
Besonders für Brownfield-Anwendungen hat das NOA-Konzept viel Potenzial. Bestehende Anlagen müssen durch Um- bzw. Aufrüsten zukunftssicher gemacht werden: Durch die einfache Überwachung und Optimierung von Anlagen sollen Kosten reduziert und der Output erhöht werden – ohne die aktuelle Prozesssteuerung zu verändern. Sollen neben den Daten aus bestehenden Feldgeräten auch Diagnosedaten durch zusätzliche Sensoren erfasst werden, beispielsweise für Vibrations- oder Temperaturmessungen, eignet sich der Einsatz IP67-geschützter I/O-Box-Module der EP-Serie, die direkt im Feld installiert werden. Mehrere Sensoren werden an ein Modul angebunden und die Signale gesammelt über eine Leitung zum Edge Device übertragen. Diese Variante verbindet geringen Aufwand bei der Leitungsverlegung mit reduziertem Platzbedarf im Schaltschrank.
Für Greenfield-Anlagen bietet das NOA-Konzept ebenfalls Vorteile: Schon bei der Planung der Anlage können zusätzliche überwachende Sensoren verbaut und damit mehr Daten für die Überwachung und Optimierung bereitgestellt werden. Neue Technologien wie Ethernet-APL ermöglichen dabei eine einfachere Umsetzung. Die Vision des Ethernet-APL-Konzepts ist es, die gesamte Kommunikation in prozesstechnischen Anlagen – von der Feldebene bis in übergerodnete Leitsysteme – Ethernet-basiert umzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die reinen Prozessdaten, sondern insbesondere auch um Statusinformationen des Feldgeräts. Die im Vergleich zu Feldbussystemen gestiegene Übertragungsrate erlaubt darüber hinaus auch das Verwenden von Webservern für die Parametrierung oder den Download von Datenblättern oder Zertifikaten direkt vom Feldgerät.
Die Anwender stehen allerdings bei der Realisierung einigen Herausforderungen gegenüber: Um die genannten Vorteile schon jetzt flächendeckend nutzen zu können, sind APL-fähige Feldgeräte notwendig. Aufgrund der noch jungen Technologie bietet der Markt bisher jedoch kein breites Portfolio. In bestehenden Anlagen mangelt es zudem an Platz für die Installation zusätzlicher Infrastrukturkomponenten wie Switche. Die Verwendung der Ethernet-basierten Kommunikationstechnologie bis in die Feldebene erfordert darüber hinaus neue Funktionen und Richtlinien im Kontext der IT- und OT-Security.
Ethernet-APL per EtherCAT-Klemme nahtlos integrieren
Wie können Anwender Ethernet-APL schon jetzt in ihre Anlagen integrieren und von den vielfältigen Vorteilen profitieren? Eine Lösung ist die Kombination der neuen Technologie mit bewährten Standards wie dem HART-Protokoll. So können bestehende Anlagen sukzessive mit neuen APL-Geräten „digitalisiert“ und die Barrieren für einen vollständigen Umstieg reduziert werden. Genau aus diesem Grund hat Beckhoff die Ethernet-APL-Technologie bereits in das modulare Klemmenportfolio integriert: Die EtherCAT-Klemme ELX6233 bietet ein 2-Kanal-Kommunikations-Interface für Ethernet-APL. Entgegen dem typischen Field-Switch-Konzept wird so eine Alternative für die Einbindung von APL-Feldgeräten geschaffen. Durch das modulare System kann der Anwender genau die benötigte Anzahl an Ethernet-APL-Kanälen im Schaltschrank installieren, sodass wertvoller Platz gespart wird und die Applikation sich flexibel erweitern lässt.
Die Skalierbarkeit der ELX6233 erlaubt sowohl für kleine Test-Setups als auch bei großen prozesstechnischen Anlagen effiziente Lösungen zur Einbindung von Ethernet-APL-Feldgeräten. Als Teil des EtherCAT-Klemmensystems lässt sich die ELX6233 mit anderen digitalen und analogen I/Os kombinieren, sodass neben Ethernet-APL auch elektrische Standardsignale oder Kommunikationsprotokolle eingebunden werden können. Insbesondere die direkte Anbindung an Embedded-PCs der CX-Serie bietet darüber hinaus viele Vorteile: So können z. B. Gateway-Applikationen die Daten aus dem Feld verarbeiten und gefiltert weitergeben.
Die ELX6233 kann wie viele der EtherCAT-Klemmen aus dem Beckhoff Portfolio in Zone 2 des explosionsgefährdeten Bereichs montiert werden und erlaubt den Anschluss von Ethernet-APL-Feldgeräten aus Zone 0. Die Schnittstellen entsprechen den Vorgaben der IEC 60079-47 und folgen dem Port-Profil SPAA.
Ethernet-APL führt wie erwähnt auch zu weiteren Herausforderungen im Bezug auf die IT- und OT-Security. Anders als in vielen PROFINET-Architekturen befindet sich der Controller direkt in der EtherCAT-Klemme und nicht in der übergeordneten Steuerung. Die Sicherheit der Daten ist durch das Trennen der einzelnen Ports und Protokolle deutlich höher als bei klassischen geswitchten Netzwerken. Außerdem kann die Performance in Bezug auf Zykluszeiten deutlich erhöht werden, da EtherCAT im Vergleich zu anderen Feldbussen eine kompaktere Datengröße des Prozessabbilds ermöglicht.
Ethernet-APL eröffnet dem Anwender viele Möglichkeiten. Für eine zeitnahe Integration der neuen Technologie ist die Kombination mit bestehenden Installationen entscheidend. Die EtherCAT-Klemme ELX6233 bietet dabei dem Anwender die notwendige Flexibilität, Modularität, Erweiterbarkeit und Sicherheit.