Gebäudeautomatisierung für den autonomen Betrieb eines Flughafenterminals
Ein vollständig autonomes Gebäude, ist das reine Science-Fiction? Nein, es ist bereits Realität, wie die belgische ASL Group in Lüttich mit einem hochmodernen, rund um die Uhr geöffneten Terminal für den Betrieb von Privatflügen beweist. Bei dessen Umsetzung mit durchgängiger Gebäudeautomation unterstützte der Beckhoff Solution Provider Boolean BV.
Raf Weerts, Facility Manager der ASL Group, erklärt: „Wir haben hier nur einen festen Mitarbeiter. Das übrige Personal besteht aus freien Mitarbeitern, die nur dann arbeiten, wenn ein Flugzeug ankommt oder abfliegt. Um sicherzustellen, dass sie nicht viel Zeit für das Hochfahren der ganzen Technik verbringen müssen, startet das Gebäude beim Eintritt eines Mitarbeiters alles von selbst. Sobald im Gebäude keine Bewegung erkannt wird, wechseln alle Systeme – Lüftung, Beleuchtung, Heizung usw. – automatisch wieder in den Ruhemodus. Das ermöglicht eine sehr energieeffiziente Arbeitsweise. Denn gerade in unserer energieintensiven Branche versuchen wir, Nachhaltigkeit wo immer möglich zu priorisieren.“
Nahtlose Integration für autonomen Betrieb
Das hochmoderne Gebäude ist das Ergebnis einer Ausschreibung des Flughafens Lüttich selbst. Dieser suchte einen Partner, um ein neues General Aviation Terminal zu bauen und zu betreiben. „Und wir suchten eine Betriebsbasis in dieser Region, also eine perfekte Übereinstimmung“, erinnert sich Raf Weerts. Mit 900 m2 Bürofläche und einem 2.250 m2 großen Flugzeughangar bietet das Gebäude außerdem eine hochmoderne Architektur. Innen kann eine große Lounge Gruppen mit bis zu 35 Personen aufnehmen, wohingegen eine kleine intime Lounge drei bis vier Personen Platz bietet. „Es hat definitiv eine gewisse Ausstrahlung“, lacht Raf Weerts, „aber die wahre Kraft liegt im Inneren. Der autonome Betrieb, den wir durch die nahtlose Integration aller Technologien erreicht haben, ist erstaunlich.“
Die ASL Group war bei diesem Projekt nicht allein. Durch die frühere berufliche Zusammenarbeit kannte Raf Weerts bereits Inhaber Chris Briers und Vorstand Thomas Nagels vom Beckhoff Solution Provider Boolean und wusste um deren große Erfahrung für die Umsetzung solch eines anspruchsvollen Projekts. „Wir waren von Anfang an auf der gleichen Wellenlänge. Das Rückgrat dieses ganzen Systems musste Beckhoff Technologie sein. Letztendlich ist eine offene Steuerungstechnik unabdingbar, um alle verschiedenen Signale und Protokolle zusammenzuführen.“ Hierzu dienen u. a. die Busklemmen KL4408 und KL6821 (DALI-2) und die EtherCAT-Klemmen EL2809 sowie die TwinCAT Functions Modbus TCP, Modbus RTU und SMS/SMTP.
Die TwinCAT-3-Steuerung koordiniert die gesamte HLK-Technologie, von der Beleuchtung, Elektrizität und Ladestationen bis hin zum Audiosystem. „Nur die Zugangskontrolle bleibt in den Händen des Flughafens. Mit jeder anderen Automatisierungsplattform hätte dies deutlich mehr Interfaces und Integrationsaufwand erfordert. Mit PC-based Control von Beckhoff steht hingegen die notwendige Offenheit und Konnektivität bereits systemintegriert zur Verfügung“, erläutert Chris Briers.
Die größte Herausforderung für das Team von Boolean bestand darin, die von der ASL Group geforderte hohe Benutzerfreundlichkeit umzusetzen. „Raf Weerts hatte eine sehr klare Vorstellung davon, wie eine technische Installation aussehen sollte; eine Vision, wie das Gebäude funktionieren sollte. Dies in ein Flussdiagramm umzusetzen, gab uns eine Richtlinie, mit der wir arbeiten und die Software passend programmieren konnten“, so Thomas Nagels. Entscheidend war nach seiner Aussage zudem, dass ausreichend Flexibilität vorgesehen wurde: „Wir wollten auch das Feedback der Endbenutzer einbinden sowie zukünftig neue Technologien integrieren oder neue Dinge ausprobieren können – sozusagen ein lebendiges Labor.“ Für Raf Weerts ist weiterhin das leistungsfähige, mit TwinCAT 3 HMI visualisierte Monitoring wichtig: „Wenn etwas nicht ganz nach Plan läuft, kann ich mich leicht einloggen, das Problem identifizieren und selbst von meiner Tastatur aus lösen oder den Personen vor Ort erklären, was zu tun ist.“
Firmeneigene Plattform mit IPC- und TwinCAT-Kern
Boolytics, die firmeneigene Plattform von Boolean, war in diesem Projekt von besonderer Bedeutung, wie Thomas Nagels erläutert: „Wir können Echtzeitdaten auf dieser Plattform erfassen und protokollieren. Die Verwendung eines Web-Dashboards visualisiert mit TwinCAT 3 HMI den Prozess sehr gut und stellt einfach die Informationen zu allen Datenpunkten bereit. Dieses Tool bietet zudem ausreichend Flexibilität, um die richtige Balance zwischen einer hohen Benutzerfreundlichkeit für den Kunden und der Möglichkeit, tief genug in die Analyse einzusteigen, zu finden.“ Raf Weerts verdeutlicht seine Spezifikationen folgendermaßen: „Alles wird so überwacht, dass ich normalerweise bereits angerufen habe, bevor die Mitarbeiter vor Ort überhaupt ein Problem erkennen. Funktioniert z. B. die Heizung nicht richtig, kann ich direkt Maßnahmen ergreifen, bevor das Gebäude ausgekühlt ist.“
Herz des gesamten Steuerungssystems ist der Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6030 von Beckhoff. Er erhält die meisten Daten über Bussysteme oder IP-Kommunikation, sammelt diese in der Software TwinCAT und überträgt sie auf die Boolytics. „Die Transparenz auf beiden Seiten ist es, was Beckhoff zum richtigen Technologiepartner macht“, fasst Chris Briers zusammen. Übrigens nicht nur in Lüttich – denn als zuständiger Facility Manager drängt Raf Weerts darauf, alle Gebäude mit Beckhoff Technologie auszustatten: „Nicht jedes Gebäude hat die gleiche Technologie, aber man kann trotzdem den Betrieb standardisieren und immer die gleiche Struktur anwenden. Das ist für den Endbenutzer viel bequemer und bedeutet, dass mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um z. B. Energie zu teilen. Indem man die PLCs für die verschiedenen Standorte miteinander kommunizieren lässt, kann man gut erkennen, wann die großen Energieverbraucher am besten einzuschalten sind.“
Gebäudestandards für 2030 schon heute umgesetzt
Was das Gesamtenergiebild betrifft, ist das Gebäude seiner Zeit voraus. Dazu Raf Weerts: „In Bezug auf Isolierung, Verglasung usw. haben wir die Standards für 2030 befolgt. Schließlich kann man nur einmal isolieren. Also muss man es richtig machen. Eine VRF(Direktverdampfer)-Wärmepumpe mit einer Leistung von 32 kW kann jetzt das gesamte Bürogebäude auf der richtigen Temperatur halten. Außerdem benötigen wir keine 23 °C Raumtemperatur. Die Gäste, die hierher kommen, müssen nur fünf bis zehn Minuten im Gebäude verbringen und können daher z. B. ihre Mäntel anbehalten. Dennoch ist sichergestellt, dass sich auch die Mitarbeiter wohlfühlen – bei Bedarf kann die Raumtemperatur über einen Boost-Knopf schnell erhöht werden.“
Gerade hinsichtlich der Energieeffizienz haben sich die Programmierarbeiten von Boolean ausgezahlt, wie Chris Briers verdeutlicht: „Wir sind wirklich tief in diese Materie eingetaucht. Die herkömmlichen Arrangements der Hersteller wurden alle überarbeitet. Alles wurde intern eingestellt und parametriert.“ Thomas Nagels ergänzt: „Mit diesem Gebäude haben wir einen klaren Beweis dafür, dass unser Betrieb wirtschaftlicher ist, denn wir überwachen sehr umfangreich – übrigens auch über Control Panel von Beckhoff. Wir behalten sogar die Zwischenschritte in den Arrangements im Auge. Dadurch können wir genau sehen, wo der Prozess weiter optimiert werden kann.“ So wurde bereits mit den Heizkurveneinstellungen experimentiert, um zu erkennen, welche Auswirkungen die Anpassung von Parametern hat, wie sich das Endergebnis entwickeln wird und ob sich der Änderungsaufwand überhaupt lohnt.
Als Beckhoff Solution Provider habe Boolean nur sehr wenig Unterstützung benötigt. Dennoch erwähnt Chris Briers besonders den Support des Automatisierungsspezialisten. „Die Experten von Beckhoff Belgien sind sehr zugänglich und wenn erforderlich immer gut erreichbar. Je länger man mit PC-based Control arbeitet, desto weniger Support ist nötig. Aber bei Bedarf ist der Support da und stellt außerdem auch neue Technologien und Produkte vor. Besonders wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Beckhoff Technologie trotz aller Innovationen auch eine hohe Stabilität bietet. Es sind nach wie vor Ersatzteile für Lösungen verfügbar, die vor mehr als einem Jahrzehnt installiert wurden. Das ist robuste, industrielle Technologie – mit demselben IPC, der hier die Gebäudeverwaltung steuert, könnte ich ebenso einen komplexen Produktionsprozess steuern. Es gibt also keinen Mangel an Rechenleistung und damit auch langfristig keine Grenzen, was wir mit diesem Gebäude erreichen können.“